Freitag, 09. Mai 2025

„Ehrlich in die Vergangenheit blicken“

Bischof Wiesemann bei seiner Ansprache © Klaus Landry 

Ökumenisches Friedensgebet mit Bischof Wiesemann und Oberkirchenrat Jäckle in Erinnerung an das Ende des 2. Weltkriegs

Speyer. Mit einem Ökumenischen Friedensgebet in der Speyerer Gedächtniskirche haben Bistum und Landeskirche, vertreten durch Bischof Wiesemann und Oberkirchenrat Jäckle, am Donnerstag dem Ende des 2. Weltkriegs vor 80 Jahren gedacht. „Der ‚Tag der Befreiung‘ vom NS-Unrechtsregime liegt inzwischen ein ganzes Menschenleben zurück“, betonte Bischof Wiesemann in seiner Ansprache. „Die allerwenigsten von uns haben den 2. Weltkrieg noch persönlich erlebt. Die meisten kennen ihn nur aus Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern oder als ein Kapitel aus dem Geschichtsunterricht. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an ihn wachzuhalten. Nicht nur als Erinnerung an ein vergangenes Ereignis, sondern als Mahnung für die Gegenwart und Zukunft: Nie wieder Hass und Vernichtung! Nie wieder Krieg!“

Schülerinnen appellieren für den Frieden

Am Friedensgebet wirkten auch sechs Schülerinnen der 5., 8. und 9. Klasse des Edith-Stein-Gymnasiums mit. Im Gespräch mit Markus Jäckle erzählten sie von ihren Gedanken rund um das Ende des 2. Weltkriegs, aber auch hinsichtlich der aktuellen Kriege in der Welt. Rabea Zander bezeichnete Krieg als „eine dunkle Wolke“, und „Frieden ist für mich wie eine helle Sonne, die alles erleuchtet“. In der Schule habe sie viel über Edith Stein und deren Tod in Auschwitz-Birkenau gelernt. Zusammen mit ihrer Klasse wolle sie sich dafür einsetzen, „dass so etwas nie wieder passiert“, betonte Rabea Zander.

Lena Schönmann verbindet mit Krieg „vor allem das Sterben und Leiden vieler unschuldiger Menschen“, darunter auch Zivilisten. In ihrem Statement warf sie auch einen Blick auf die aktuellen Kriege und Spannungen, wie in der Ukraine oder im Gaza. „Angesichts dieser Krisen in unserem unmittelbaren Umfeld sollten wir uns die Bedeutung und Auswirkung von Krieg alle nochmal bewusstmachen und gerade die schlimmen Verbrechen aus der Zeit des 2. Weltkrieges als Mahnung betrachten, damit sich so etwas nie wiederholt“, so Lena Schönmann.

Isabel Kienle erzählte, dass sie sich aktiv mit den Schicksalen Speyerer Jüdinnen und Juden beschäftige. 80 Jahre Kriegsende bedeute für sie „die Befreiung tausender Juden aus den Konzentrationslagern“ sowie einen „Lichtblick für alle Menschen der am Krieg beteiligten Nationen“. Sie appellierte: „Frieden ist keine Selbstverständlichkeit – er ist kostbar und muss geschützt werden, sodass sich ein solches Ereignis nicht wiederholt. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass wir ihn bewahren.“

Zerrissene Familien, zerstörte Städte, Hunger, Tränen – auf die Frage „Woran denke ich, wenn ich ans Kriegsende denke?“ kämen ihr viele Bilder und Gedanken in den Sinn, berichtete Hanna Nitsche. Sie denke jedoch „nicht nur an das Ende von Gewalt, sondern auch an den Anfang einer neuen Zeit. Eine Zeit voller Fragen, voller Narben – aber auch voller Hoffnung.“ Frieden, so Hanna Nitsche, lebe von Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Respekt vor der Würde jedes Einzelnen.

Gemeinsam erzählten Anna Gaber und Carol Hanna, dass sie, seit sie denken können, sehen und hören würden, „wie es Menschen in anderen Teilen der Welt ergeht – sei es durch Kriege mit anderen Ländern oder durch Bürgerkriege im eigenen Land. Die Menschen leiden immer. Millionen sind betroffen, vertrieben, verletzt, traumatisiert – immer wieder, immer neu.“ Hoffnung gebe ihnen Jesus, der den Menschen trotz all der schrecklichen Umstände immer zur Seite steht.

Lehren aus der Vergangenheit ziehen

Bischof Wiesemann appellierte an die Gläubigen, sich der Vergangenheit zu stellen, sich „immer wieder erinnern an das himmelschreiende Unrecht der NS-Machthaber, an das gleichgültige Wegsehen und Schweigen weiter Teile der Bevölkerung“. Es sei wichtig, „ehrlich in die Vergangenheit [zu] blicken“, sie nicht abzuschütteln.

Für ihn gehöre zum Blick in die Vergangenheit aber auch „die Erinnerung an jene, die vor und während des 2. Weltkriegs Widerstand geleistet haben – viele davon aus ihrem Glauben an Gott heraus, so wie Dietrich Bonhoeffer oder Pater Alfred Delp“. Und zum Blick in die Vergangenheit gehöre die Erinnerung an alle, die sich „nach dem 2. Weltkrieg für ein anderes, von Menschenwürde, Freiheit und Demokratie geprägtes Deutschland und für ein geeintes Europa eingesetzt haben“. Durch völkerrechtswidrige Kriege, das Wiedererstarken eines völkischen Nationalismus oder durch Hass und Hetze gegenüber Ausländern werde deren Erbe heute leichtfertig mit Füßen getreten.

Der verstorbene Papst Franziskus habe immer betont, dass alle Menschen Schwestern und Brüder seien. Er habe den Blick auf die Armen und Schwachen der Gesellschaft gelenkt. „Es ist unsere Aufgabe heute als Einzelne wie als Kirchen angesichts der vielfältigen Spannungen und Krisenherde in unserer Welt, dass wir alles darauf und daran setzen, dass sich Gottes Gerechtigkeit und sein Frieden den Weg bahnen.“ Bischof Wiesemann betonte: „Wir dürfen nicht schweigen, wenn es um den Einsatz für diese große Vision Gottes für unsere Welt geht. Unser Glaube bezieht sich immer auf das Ganze des Lebens und des Zusammenlebens in unserer Welt. Er hat deshalb auch immer eine gesellschaftliche und politische Dimension. Es kann keinen Rückzug ins bloß Spirituelle geben, da unser Glaube an den menschgewordenen Gott sich auf das Heil im umfassenden Sinn bezieht, auf ein würdiges Leben für alle. Gerade unsere eigene Geschichte muss uns als Mahnung dienen, nie mehr zu schweigen, wenn es um ein friedliches, gerechtes und solidarisches Miteinander aller geht.“