Dienstag, 17. Oktober 2023
Die Vielfalt der christlichen Ökumene erfahren
Herbst-Delegiertenversammlung der ACK Südwest in Trier
Trier. Zweimal im Jahr treffen sich die Delegierten der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in der Region Südwest im Rahmen einer Delegiertenversammlung. Vertretene Kirchen sind neben den Bistümern Speyer und Trier sowie den Evangelischen Kirchen in der Pfalz und im Rheinland die Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Mennonitengemeinden, die Herrnhuter Brüdergemeinde, die evangelisch-methodistische Kirche, die altkatholische Kirche, die griechisch-orthodoxe Kirche, die selbstständig evangelisch-lutherische Kirche (SELK), der Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden und der Bund freier evangelischer Gemeinden. Gastmitglieder sind die koptisch-orthodoxe Kirche, die Neuapostolische Kirche sowie die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Die diesjährige Herbst-Versammlung fand vom 13. Oktober im Robert-Schumann-Haus in Trier statt.
Das Entschlafenenwesen als Sondergut des Glaubens in der neuapostolischen Kirche (NAK)
In einem gemeinsamen Vortrag erläuterten Clément Haeck und Volker Hussmann das Spezifikum des Entschlafenenwesens der NAK. Hintergrund ist die Vorstellung, dass Menschen als Leib-, Seele- und Geistwesen im Tod zwar ihren irdischen Leib verlassen. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele will der Seele jedoch auch nach dem Tod die Entscheidungsfähigkeit für das Gute ermöglichen. Daher wird der Tod nicht als Grenze des Gottesverhältnisses gesehen. Die Ermöglichung einer Gottesbeziehung zum Heil der Toten geschieht durch die Spendung der Sakramente Taufe, Versiegelung – einem Empfang des Heiligen Geistes durch Handauflegung und Gebet – und Abendmahl durch lebende Stellvertreter und Stellvertreterinnen. Dahinter steht die Vorstellung eines liebenden Gottes, der will, dass allen Lebenden und den Toten geholfen wird. Der Praxis des Entschlafenenwesens geht es daher nicht um eine metaphysische Neugier. Sie setzt sich damit deutlich von einem spiritistischen Verständnis ab.
Am Abend waren alle Delegierten der ACK Südwest zu einem Gottesdienst und einem anschließenden Abend der Begegnung der NAK in Trier eingeladen.
50 Jahre Leuenberger Konkordie: Ökumenische Chancen und römische Widerstände
Professor Wolfgang Thönissen, bis zu seiner Emeritierung langjähriger Leitender Direktor des Johann Adam Möhler-Instituts und Professor für Ökumenische Theologie an der Katholischen Fakultät in Paderborn, stellte am Nachmittag das Kirchenmodell der Leuenberger Konkordie vor. Das 1973 verabschiedete ökumenische Dokument wollte der seit der Reformation herrschenden Spaltung von lutherischen und reformierten Kirchen ein Ende setzen und Kirchengemeinschaft zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen zunächst in Deutschland und dann in Europa herzustellen. Aus diesem Gründungsdokument ist die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) hervorgegangen. Die Leuenberger Konkordie verstand sich nicht als eigene Bekenntnisschrift, sondern bewusst als Verbindungsmodell bekenntnisverschiedener Kirchen. Ziel war es, auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums als Botschaft von der Rechtfertigung Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den jeweiligen Kirchen zu ermöglichen. Auch wenn weiterhin theologische Differenzen zwischen den Kirchen bestehen, gilt die Konkordie doch als dynamisches Modell, das prozesshaft vorwegnehmen will, was sich noch entwickeln und entfalten kann. Sie wurde daher von Anfang an auch bewusst als Modell für eine ökumenische Weiterentwicklung gesehen, die auch die römisch-katholische Kirche in den Blick nimmt.
Bis heute ist sie allerdings im katholisch-evangelischen Dialog nicht unumstritten. Einerseits formuliert das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils eine sich schon in den Jahrzehnten zuvor entwickelte Vorstellung von Elementen und Gütern außerhalb der Grenzen der katholischen Kirche und sieht damit auch Kriterien für die Anerkennung des Kirche-Seins außerhalb der katholischen Kirche. Andererseits erfordert das sakramentale Verständnis von Kirche als Zeichen und Werkzeug ein tieferes Verständnis von Sichtbarkeit, wie sie im Leuenberger Modell aus römischer Sicht nicht in ausreichender Weise deutlich wird. Kardinal Koch, der Präfekt des Päpstlichen Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, sieht im Leuenberger Modell ein protestantisches Pluralismuskonzept, das dem katholischen Verständnis von sichtbarer Einheit entgegensteht. Professor Thönissen machte deutlich, dass die theologische Auseinandersetzung um die ökumenische Bedeutung der Leuenberger Konkordie und ihre Vorstellung von Kircheneinheit bis heute ein Grundproblem im evangelisch-katholischen Dialog darstellt.
Ausblick auf 1700 Jahre Konzil von Nicäa
Im Jahr 325 fand das Erste Ökumenische Konzil von Nicäa statt. Bis heute verbindet es die katholische Kirche mit den orientalischen und orthodoxen Kirchen sowie den Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, und gilt daher als „ökumenische Sternstunde“. Die ACK Südwest beteiligt sich an den Vorbereitungen der Feier des Konzilsjubiläums. Im Rahmen der Heilig-Rock-Wallfahrt vom 13. bis 14. April 2024 veranstaltet die ACK Südwest ein öffentliches Credo-Projekt auf dem Hauptmarkt in Trier. 2025 soll im Dom zu Trier ein großer ökumenischer Gottesdienst gefeiert werden.
Das Konzil von Nicäa wird auch theologisches Schwerpunktthema der nächsten Delegiertenversammlung im Frühjahr 2024.
Reichtum der multikonfessionellen Ökumene
Immer wieder wurde in den zwei Tagen deutlich, wie sehr das Miteinander und die Vielfalt einer multilateralen Ökumene in der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen die jeweils eigene Konfession bereichert. Alle Delegierten waren sich einig, dass trotz aller Differenzen eine Zukunft der Kirchen nur ökumenisch sein kann.
Text/Foto: Susanne Laun, Stabsstelle Ökumene und theologische Grundsatzfragen Bistum Speyer