Dienstag, 01. Oktober 2024

Nichts für Anfänger

 

Jahrestagung der Religionslehrer an Schulen mit Oberstufe

Waldfischbach-Burgalben. Das Johannesevangelium spielt im Religionsunterricht keine große Rolle – zu Unrecht? Religionslehrer an Schulen mit Oberstufe setzten sich bei ihrer Jahrestagung am 26. Und 27. September auf Maria Rosenberg mit dem vierten Evangelium auseinander.

Das Johannesevangelium hebt sich mit seiner besonderen Begrifflichkeit, mit den langen Reden, die der Evangelist Jesus in den Mund legt, und mit den vielen Episoden, die sich nur hier finden, von den anderen Evangelien ab. Hans-Georg Gradl, Professor für neutestamentliche Exegese an der Universität Trier, vermittelte den über 40 Teilnehmenden eine lebendige Auffrischung von Basiswissen und Einblicke in den Stand der Forschung. Das Johannesevangelium lasse sich als eine Schrift verstehen, die über die Perspektive der mutmaßlich älteren Evangelien hinausgeht. Es entwerfe eine Neuerzählung des Lebens Jesu, die sich auf einen tieferen, verborgenen Sinn konzentriert, wie er in der Gemeinde erkannt wurde, die sich auf den „geliebten Jünger“ Jesu zurückführt. Nicht der irdische Jesus betrete im Johannesevangelium die Bühne, sondern der auferstandene, erhöhte Herr. Folglich ist seine Sprache auch anders: Jesus spricht „himmlisch“. Wo unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, sind Missverständnisse vorprogrammiert, etwa im Gespräch Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen oder im nächtlichen Gespräch mit Nikodemus. Das Johannesevangelium wende sich nicht an Anfänger im Glauben, sondern an Fortgeschrittene. Wer das Evangelium von Anfang an liest, bekomme im Prolog bereits den Schlüssel zum Verständnis der ganzen Schrift in die Hand, weil hier bereits zentrale Begriffe eingeführt und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Hans Gradl lud im Anschluss an seine Einführung in das „Himmlisch“ des Johannesevangeliums die Lehrerinnen und Lehrer ein, ihre Kenntnisse an in Gruppen an zentralen Texten zu erproben.

Wie können Texte aus diesem „Evangelium für Fortgeschrittene“ dann mit Gewinn im Schulunterricht vorkommen? Acht Lehrkräfte stellten am zweiten Tag ihre Unterrichtserfahrungen mit Johannes den Kolleginnen und Kollegen in Arbeitskreisen vor. Diese Vielfalt unterschiedlicher Ansätze wurden von den Teilnehmenden als anregend wahrgenommen und mit großem Beifall bedacht.

Für Religionslehrerinnen und -lehrer bietet das Bistum Speyer schulartspezifische Jahrestagungen an. Diese Fortbildungsangebote verbinden fachliche Vertiefung und unterrichtspraktische Umsetzung und fördern die Vernetzung der Lehrkräfte im ganzen Bistum. Wichtig war daher auch die Gelegenheit, sich zu allgemeinen Entwicklungen auszutauschen, sowohl im Rahmen der Mitgliederversammlung der Vereinigung der Religionslehrer und -lehrerinnen an Gymnasien und Gesamtschulen im Bistum Speyer als auch im Gespräch mit Dr. Irina Kreusch, Leiterin der Hauptabteilung Schulen, Hochschulen und Bildung. Dabei wurde von mehreren der Wunsch artikuliert, zügig einen konfessionsverbindenden christlichen Religionsunterricht zu etablieren, der dem Stand des ökumenischen Bewusstseins und den Herausforderungen der Gegenwart entspricht.

Bei keiner Jahrestagung dürfen gemeinsame Gottesdienste fehlen. Volker Sehy, Leiter des Geistlichen Zentrums Maria Rosenberg, hob in seiner Predigt hervor, dass es Menschen braucht, die vorbildhaft für andere ihren Glauben in Worte fassen – als Zeugen, um es mit einem Begriff des Johannesevangeliums zu sagen.  

Text: HA II Schulen, Hochschulen und Bildung, Foto: pexels