Mittwoch, 09. Juli 2025
„Wir müssen es schaffen, die Menschen mitzunehmen“

Seit 100 Tagen im Amt: Kerstin Fleischer, die neue Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge © Bistum Speyer
Kerstin Fleischer ist seit 100 Tagen Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge
Speyer. Vor 100 Tagen, am 1. April 2025, hat Kerstin Fleischer das Amt der Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge im Bistum Speyer übernommen. Im Interview erzählt sie von ihren neuen Aufgaben und ersten Erfahrungen.
Wie waren die ersten 100 Tage im neuen Amt?
Kerstin Fleischer: Wenn ich zurückblicke, dann mache ich das mit einer großen Dankbarkeit. Ich bin sehr gut aufgenommen und eingeführt worden. Meine Kolleginnen und Kollegen und mein Team haben mir einen großen Vertrauensvorschuss und ein großes Wohlwollen geschenkt. Mir wurde von allen Seiten Unterstützung zugesagt und angeboten. Das sind nicht nur Worte, sondern das spüre ich auch. Ich bin gut in meine neue Aufgabe gestartet und bin gerade dabei, meinen Platz zu finden. Es ist schön, dass ich mit meinem Team der Abteilungsleitungen und der Stabstelle auch in der neuen Rolle ein gutes Miteinander gefunden habe. Wir wissen, wie wir unsere Arbeit in Zukunft gestalten wollen.
Neben Dankbarkeit spüre ich auch Neugierde, im positiven Sinne. Ich finde es spannend, die Zusammenhänge zu entdecken und die Komplexität, die hinter manchen Dingen steckt. Ich arbeite sehr gerne in den vielfältigen Themen, Arbeitsfeldern und Prozessen. Jeden Tag darf ich viel Neues lernen, ich bin immer noch die Lernende und das ist gut so. Und ein drittes Schlagwort ist Demut. Ich habe Respekt vor den Aufgaben, die vor uns liegen. Nicht nur vor mir, sondern auch vor uns als Bistum, als Gläubige. Gerade laufen viele Prozesse parallel, die viele Absprachen und ein gutes Zeitmanagement benötigen.
Einer dieser Prozesse, die in Ihren Verantwortungsbereich fallen, ist die Strukturreform des Bistums. Wie wollen Sie sich persönlich hier einbringen?
Grundsätzlich finde ich es gut und wichtig, dass wir das Thema angehen. Ich arbeite daran seit April 2024 mit, und leite jetzt die Arbeitsgemeinschaft „Kirchenentwicklung“. Inhaltlich wollen wir die Bistumsvision weiterentwickeln. Dieser Prozess ist für mich nicht nur ein struktureller oder inhaltlicher, sondern auch ein geistlicher Prozess. Es ist wichtig, zu hören: Erst einmal auf Gott, das ist für mich eine Art Richtschnur, aber unbedingt auch auf das, was die Menschen bewegt und beschäftigt. Ich erlebe dabei auch Spannungen und Unsicherheiten. Wir sind gerade in einer Zeit des Übergangs. Es will sich etwas entwickeln. Deshalb finde ich den Titel meiner Arbeitsgruppe, Kirchenentwicklung, genau richtig gewählt. Wir müssen uns weiterentwickeln. Dabei frage ich mich auch, welchen Weg Gott für uns sieht. Es gilt, das Reich Gottes aus dem Evangelium heraus hier und jetzt zu gestalten. Das macht viel Freude, ist aber gleichsam auch herausfordernd und manchmal auch anstrengend.
Welche weiteren neuen Aufgaben fallen in Ihr Gebiet?
In der Hauptabteilung Seelsorge gibt es vier Abteilungen und eine Stabsstelle mit ganz unterschiedlichen und vielfältigen Referaten, Arbeits- und Themenfeldern. Weiterhin arbeite ich in einer Arbeitsgruppe mit, die den Übergang der Kindertagesstätten in eine Kita gGmbH vorbereitet. Ich bin Mitglied in verschiedenen Ausschüssen und Kommissionen. Es finden regelmäßig Treffen mit unseren ökumenischen Kolleginnen und Kollegen statt. Eine weitere wichtige und schöne Aufgabe ist die Vorbereitung der Diözesanwallfahrt nach Rom. Da stecken wir gerade mitten in den Vorbereitungen.
Neu ist es für mich aber auch, Personalverantwortung und einen Haushalt zu haben – in einem viel größeren Umfang als in meiner früheren Stelle in der Hospiz- und Trauerseelsorge.
Stichwort Romwallfahrt: Wenn Sie an Oktober denken, worauf freuen Sie sich am meisten?
Fremde Menschen machen sich zusammen auf den Weg, als Pilgerinnen und Pilger in diesem heiligen Jahr der Hoffnung. Was ein schönes Motto – das gleichsam ein Lebensmotto sein kann. Das finde ich das Schönste, miteinander Rom zu erkunden und dort die Gemeinschaft zu erleben. Ich freue mich, mit den Menschen dann durch die Heiligen Pforten zu gehen und die Gottesdienste zu feiern. Wir werden miteinander unterwegs sein, einerseits geistlich, aber auf der anderen Seite auch im Rahmen einer bunten Mischung an Programmpunkten. Und natürlich freue ich mich auf eine Kugel Eis in der besten Eisdiele der Stadt!
Was möchten Sie als neue Hauptabteilungsleitung für das Bistum erreichen?
Ich möchte mich dafür stark machen, dass Menschen aus ihrem Glauben heraus Kirche mitgestalten und sich einbringen können, mit ihren ganz unterschiedlichen Charismen, Begabungen und Talenten. Nicht erst dann, wenn die Not groß ist, sondern in einem stetigen Miteinander.
Mir ist es außerdem wichtig, die Bistumsvision, Segensorte in der Welt zu sein, mitzugestalten. Ich glaube, das geht in dieser herausfordernden Zeit nur gemeinsam, über die Grenzen der Hauptabteilung Seelsorge hinaus. Wir müssen es schaffen, und das sehe ich als große Herausforderung, die Menschen in all diesen Umbrüchen der aktuellen Zeit mitzunehmen. Kirche muss wieder mehr an Glaubwürdigkeit gewinnen. Wir müssen uns ehrlich machen. Viele Menschen haben sich von uns abgewendet. Das beschäftigt mich sehr, wo wir doch eine frohmachende Botschaft Jesu haben. Wir müssen mehr Fragen stellen, wirklich zuhören und nicht nur selbst Antworten geben – manchmal auf Fragen, die niemand gestellt hat.
Ich möchte mich einsetzen, dass sich Menschen nicht gegenseitig den Glauben absprechen, sondern ihn einander zutrauen. Ich nehme mir vor, daran mitzuwirken, dass Verschiedenheit nicht trennt, sondern bereichert.
Vieles wird sich verändern müssen und wir müssen Abschied nehmen von gewohnten Strukturen. Wir müssen uns für diesen Prozess auch Zeit nehmen. Aber ich hoffe, dass das Prinzip der Hoffnung in Allen aufkeimt, wir die Chance für das Neue entdecken und mutig nach vorne blicken.
Interview führte Katharina Kiesel