Freitag, 31. Oktober 2025
Caritasverband Speyer in besorgniserregender Lage
Vertreterversammlung stimmt Jahresabschluss 2024 dank Bistumsdarlehen zu
Speyer. Der Caritasverband für die Diözese Speyer befindet sich in einer wirtschaftlich angespannten Situation. Im Jahresabschluss 2024 weist der Verband ein Defizit von rund 33,5 Millionen Euro aus – bei einem Gesamtumsatz von etwa 256 Millionen Euro. Davon entfallen 19,7 Millionen Euro auf einmalige Abschreibungen gegenüber der hundertprozentigen Tochtergesellschaft CBS Caritas Betriebsträgergesellschaft mbH Speyer, sodass ein Verlust vor Wertberichtigungen von 14 Millionen Euro verbleibt.
Wirtschaftsprüfer: Fortführung nur dank Bistumsdarlehen möglich
Diese Zahlen stellten Wirtschaftsprüfer Dirk Riesenbeck-Müller von der Prüfungsgesellschaft Solidaris sowie der Interimsvorsitzende Markus Bennemann am Mittwoch, 29. Oktober, in der Vertreterversammlung vor. Riesenbeck-Müller bezeichnete die Lage des Wohlfahrtsverbandes als besorgniserregend. „Die Fortführung des Unternehmens ist nur möglich dank des Darlehens des Bistums“, betonte er. Ohne diese Unterstützung sei der Bestand des Verbandes akut gefährdet. Auch für 2025 sei keine Entspannung zu erwarten: „Spürbare Effekte der Sanierungsmaßnahmen werden sich erst Ende 2026 zeigen.“ Trotz der schwierigen Lage erteilte der Wirtschaftsprüfer dem Jahresabschluss einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, da am Rechnungswesen des Verbandes selbst nichts zu beanstanden sei.
Interimsvorsitzender Bennemann stellt Sanierungsplan vor
Markus Bennemann, vom Bischof eingesetzter Interimsvorsitzender und Berater des Unternehmens TMC Turnaround Management Consult, erläuterte die Analyse der wirtschaftlichen Situation und die eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen bis 2026. „Der Einstieg war anspruchsvoll: Die Zahlenlage war veraltet und unvollständig, das Reporting lückenhaft“, so Bennemann. Die Daten seien zunächst neu strukturiert worden, um die tatsächliche wirtschaftliche Lage belastbar darzustellen.
Zu den bereits umgesetzten Maßnahmen gehören:
- Einstellungsstopp in der Zentrale, der bislang Einsparungen von rund einer halben Million Euro gebracht hat
- Genehmigungspflicht für Leiharbeit, wodurch die teuren Fremdarbeitskosten deutlich reduziert wurden
- Neuverhandlungen der Entgelte in allen Einrichtungen mit dem Ziel kostendeckender Vereinbarungen
- Steigerung der Belegung in Einrichtungen, um Einnahmen zu erhöhen
„Die pauschalen Entgelterhöhungen der letzten Jahre haben die stark gestiegenen Personal- und Sachkosten nicht mehr abgebildet“, erklärte Bennemann. „Wenn ich nur vier Prozent mehr Umsatz erziele, aber 14 Prozent höhere Personalkosten und sechs Prozent höhere Sachkosten habe, öffnet sich die Schere zwangsläufig.“ Zudem soll die Belegung in den Einrichtungen gesteigert werden, um die Einnahmen zu erhöhen. Die eingeleiteten Maßnahmen sollen laut Bennemann ab 2027 wieder zu einem positiven Ergebnis von rund zwei Millionen Euro führen.
Caritasdirektorin Aßmann: „Unsere Angebote werden mehr denn je gebraucht“
Caritasdirektorin Barbara Aßmann betonte in ihrem Bericht die unverändert hohe Nachfrage nach den Hilfsangeboten des Verbandes. „In unseren acht Caritas-Zentren sind die Kundenzahlen 2024 erneut gestiegen – um 1.000 auf insgesamt 18.872 Menschen“, sagte sie. Hinzu kämen deren Angehörige, die in der Statistik nicht gesondert erfasst würden. Besonders die Allgemeine Sozialberatung, die ausschließlich aus Kirchensteuermitteln finanziert wird, verzeichnete steigenden Bedarf: 3.309 Personen suchten hier Unterstützung.
Aßmann ging auch auf aktuelle Herausforderungen ein – etwa die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und dessen Auswirkungen auf die Wohlfahrtsverbände. Zudem stellte sie Projekte wie Kita-Sozialarbeit und Quartiersarbeit vor und kündigte an, das sozialpolitische Engagement künftig gemeinsam mit den Caritasverbänden Trier, Mainz und Limburg zu verstärken – insbesondere im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen.
Caritasratsvorsitzender Wieder: „Die Aufarbeitung hat erst begonnen“
Theo Wieder, Vorsitzender des Caritasrates, schilderte, wie es zur wirtschaftlichen Schieflage kommen konnte. Noch Ende 2024 sei man von einem moderaten Fehlbetrag von rund 1,9 Millionen Euro ausgegangen. „Im Januar rief mich der Prüfer von Solidaris an und fragte, ob uns bewusst sei, dass wir bei minus 14 bis 15 Millionen Euro liegen“, berichtete Wieder. Daraufhin habe der Caritasrat in kurzer Zeit elf Krisensitzungen abgehalten – bis Jahresende werden es dreizehn sein. „Zu normalen Zeiten trafen wir uns drei- bis viermal jährlich“, so Wieder.
Er betonte, dass zeitweise unklar gewesen sei, ob eine Insolvenz drohe. Erst die Analyse von TMC habe ergeben, dass dies nicht der Fall sei – nur durch die Unterstützung des Bistums sei der Verband jedoch handlungsfähig geblieben. Wieder zeigte sich zuversichtlich, dass der eingeschlagene Kurs den Verband wieder stabilisieren werde. Gleichzeitig machte er deutlich: „Die Aufarbeitung, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte, steht erst am Anfang. Wir werden darauf bestehen, dass die Vorgänge gründlich untersucht werden.“
Generalvikar Magin: „Eine Kirche ohne Caritas kann es nicht geben“
Generalvikar Markus Magin unterstrich die enge Verbundenheit von Kirche und Caritas. „Es kann keine Kirche ohne Caritas geben“, sagte er. Für den anstehenden Weg brauche es Fachkompetenz, Engagement – und Vertrauen. „Ich habe in den vergangenen Monaten erlebt, mit welchem Einsatz der Vorstand arbeitet, und wie engagiert sich die Mitarbeitenden in den Einrichtungen um die ihnen anvertrauten Menschen kümmern. Das macht mich zuversichtlich, dass der Weg in die Zukunft gelingen wird“, so Magin.
Vertreterversammlung stimmt Jahresabschluss zu
Beschlüsse der Vertreterversammlung:
Die Vertreterversammlung beschloss bei einer Bilanzsumme von 131,1 Millionen Euro und einem Jahresfehlbetrag von 21,86 Millionen Euro:
- Zustimmung zum Jahresabschluss 2024 (bei zwei Enthaltungen)
- Entnahme des Fehlbetrags aus den satzungsmäßigen Rücklagen (einstimmig)
- Entlastung des Caritasrates (einstimmig)


