Freitag, 02. September 2016
Von Dom zu Dom mit dem Bundesfreiwilligendienst
Aus vier Bistümern waren Engagierte im Bundesfreiwilligendienst 27+ am 1. September zu einem Austauschtag in Speyer zu Gast
Speyer. Engagierte im Bundesfreiwilligendienst 27+ aus vier Diözesen trafen sich am Donnerstag, 1. September, zu einem Tag des Austausches in Speyer. Der Caritasverband als Gastgeber bot den Teilnehmern am Vormittag verschiedene Führungen zum Dom und zum jüdischen Bad an. Am Nachmittag stand der Austausch im Mittelpunkt.
Bundesfreiwilligendienst - Hilfe bei der Neuorientierung
Manche Menschen merken irgendwann, dass sie ihrem Leben eine ganz neue Richtung geben und sich mehr im sozialen Bereich engagieren möchten. Einige stellen das schon in der Ausbildung fest, andere verspüren diesen Drang vielleicht erst mit 40 oder noch später. Für sie bietet der Bundesfreiwilligendienst eine Chance zu testen, ob dieser Richtungswechsel für sie tatsächlich die richtige Entscheidung ist. Anders als bei einem freiwilligen sozialen Jahr, wird der Bundesfreiwilligendienst auf für Menschen angeboten, die älter als 27 Jahre sind. Bundesfreiwilligendienst 27 plus heißt das dann, kurz Bufdi 27 plus.
Erfahrungsaustausch für die Engagierten
Die Caritas der Diözese Speyer betreut zurzeit zehn Bufdis 27+ zwischen Mitte 30 und Anfang 60, die in christlich-caritativen Einrichtungen oder Einrichtungen in katholischer Trägerschaft ihren Freiwilligendienst absolvieren. Einmal im Monat treffen sich alle zu einem Bildungstag. Am Donnerstag bekamen sie Besuch von Bufdis aus den Bistümern Mainz, Trier und Limburg. Zweimal im Jahr findet ein solch großes Treffen, bei dem es vor allem um den Erfahrungsaustausch gehen soll, statt.
Neue Erfahrungen machen
Unter dem Motto „Von Dom zu Dom“ lernten die Teilnehmer die jeweilige Stadt aber auch die anderen Bufdis kennen. Vormittags konnten sie sich zwischen einem Speyermer Stadtspaziergang, einer Domführung mit Kaisersaal oder eine einem Stadtrundgang zum jüdischen Leben in Speyer entscheiden. „Das war sehr interessant, obwohl ich schon seit vier Jahren in Speyer wohne“, sagt Lada Dietl. Die 40-jährige gebürtige Tschechin wohnt seit vier Jahren in der Domstadt. Erst habe sie die deutsche Sprache gelernt, erzählt sie und dann habe sie an einer beruflichen Neuorientierung gearbeitet. In ihrer Heimat war sie Führungskraft im Großhandel. „Das wollte ich nicht mehr weiter machen. Konsum ist für mich nicht mehr wichtig“, sagt sie und hat vor genau einem Jahr ihren Bufdi in den Ludwigshafener Werkstätten in Schifferstadt angetreten. Die Arbeit mit den behinderten Menschen bereite ihr große Freude. Das sei eine echte Befreiung für sagt sie. „Behinderte Menschen kennen kein Management und kein Marketing und keinen Konsum“, sagt sie, „und sie geben mir so viel zurück von der Energie, die ich in die Arbeit mit ihnen stecke“. Im Oktober beginnt sie mit einer dreijährigen Ausbildung zur Arbeitserzieherin in Mannheim. Sie freut sich darauf, doch ein bisschen traurig ist sie auch, dass das schöne Jahr des Bundesfreiwilligendienstes nun vorbei ist.
Sinnvolle Beschäftigung gesucht
Was nach seinem Bufdi Jahr sein wird, weiß Klas Becker (61) noch nicht. Der EDV-Fachmachmann, der in Landstuhl gearbeitet hat, wurde arbeitslos. „Jetzt muss was neues her“, stand für ihn fest, denn eins war klar: „Wenn ich in Rente gehe, möchte ich nicht am Weiher sitzen und Enten füttern. Ich brauch eine neue Herausforderung“. Er hat sie sie in der Heinrich-Kimmle-Stiftung in Pirmasens gefunden. Dort digitalisiert er Bilder, Tondokumente und Filme. „Das lag bei mir einfach nahe“, sagt er, obwohl er bei seiner Bewerbung gar nicht wusste, dass es eine solche Abteilung bei der Stiftung überhaupt gibt. Sein Freiwilligendienst endet nächstes Jahr im Mai. Dann hat er noch ein Jahr bis zu seiner Rente. Er hofft sehr, dass er auch nach dem Bufdi dort eine Aufgabe finden wird. „Es muss kein Geld bringen, das ist nicht wichtig, ich möchte ein oder zweimal in der Woche einfach eine sinnvolle Beschäftigung haben“, erklärt er.
Ziel: Menschen helfen wollen
Ingo Anton (48) aus Pirmasens arbeitet ebenfalls seit einem Jahr in der Heinrich-Kimmle-Stiftung. Er ist in einer Produktionswerkstatt für psychisch kranke und behinderte Menschen eingesetzt. „Das macht mir so viel Freude, ich habe da Verantwortung und ein bisschen auch eine Chef-Funktion“. Es ist wichtig für ihn, eine Aufgabe zu haben. „Zuhause sitzen, das kann ich nicht. Ich möchte ja auch ein Vorbild für meinen zwölf-jährigen Sohn sein“, sagt der alleinerziehende Vater. In seinem Leben sei vieles nicht so gelaufen, wie es hätte sein sollen. Vor dem Bufdi war er drei Jahre bei der Stadt Pirmasens als Freiwilliger in der Familienbetreuung beschäftigt. „Ich weiß, mit welchen Problemen die Menschen dort zu kämpfen haben, ich selbst komme ja aus so einer Familie“, sagt er. Gerade deswegen sei es ihm ein großes Bedürfnis, Menschen zu helfen. Sein Bufdi-Jahr ist nun vorbei. Ein halbes Jahr kann er noch verlängern. Er hofft, dass sich danach etwas in diesem Bereich für ihn ergibt. „In Pirmasens ist die Arbeitslosigkeit ja so hoch, aber ich lasse mich nicht hängen“, sagt er.
„Was kommt auf mich zu?“
Christian Reinartz (38) aus Kandel steht erst ganz am Anfang seines Bufdi-Jahres. Er wird ab sofort in einer Wohngruppe für schwer erziehbare Jugendliche arbeiten. „Ich war erst einmal da, der erste Eindruck war toll, aber ich weiß noch nicht, was auf mich zukommt“, sagt er. Reinartz ist gelernter Radio- und Fernsehtechniker. Er sei nach der Schule mehr oder weniger in diesen technischen Bereich gedrängt worden, obwohl er eigentlich damals schon gerne Erzieher geworden wäre. Das hätten ihm damals alle ausgeredet. Krankheitsbedingt wurde er arbeitslos. „Jetzt ist der Zeitpunkt, das zu machen, was ich schon immer einmal machen wollte“, sagt er. Das Bufdi-Jahr möchte er als Praktikum nutzen, das er für die Ausbildung zum Erzieher benötigt.
Verschiedene Menschen finden sich im Bundesfreiwilligendienst wieder
Vier verschiedene Menschen, vier verschiedene Ausgangssituationen, vier verschiedene Schicksale. Jeder der 35 Bufdis, die sich am Donnerstag in Speyer getroffen haben, hat eine ganz eigene Geschichte. Nun wissen sie ein bisschen mehr übereinander. Erinnerung an den Tag ist unter anderem ein großes Bild, zusammengesetzt aus vier Leinwänden, auf denen die Teilnehmer ihre Erfahrungen aufgeschrieben haben. Lada Dietl nimmt noch ein besonderes Erinnerungsstück mit, die Caritas-Tasse, die jeder bekommt, der seinen Bufdi beendet. „Ich muss bestimmt weinen, wenn ich die Tasse bekomme“, befürchtete sie schon vorher. Soweit ist es dann doch nicht gekommen, aber als Laura Hissnauer, die die Speyerer Bufdis betreut und die Bildungstage organisiert, die Tasse hervorholt, ist der der Abschied schon sehr emotional, denn es war ein sehr ereignisreiches Jahr für Lada Dietl, das ihr Leben jetzt in eine neue Richtung gebracht hat.
Der Bundesfreiwilligendienst
Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte „Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst“ trat am 3. Mai 2011 in Kraft. Wenig später kamen die ersten Freiwilligen zum Einsatz, auch für Aufgaben unter dem Dach der Caritas. Im Bereich des Bistums Speyer war Starttermin für die ersten „Bufdis“ der 1. August.
Bereits zuvor hatte es Freiwilligendienste gegeben, und es gibt sie noch heute: das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ). Als Ergänzung ist der BFD an deren Seite getreten, und diese Ergänzung betrifft zunächst einmal vor allem die Altersklassen, denen der Dienst offensteht: Das FSJ und FÖJ können nur junge Menschen bis 26 Jahren absolvieren, den BFD auch alle älteren Interessenten. Frühestmöglicher Beginn ist bei beiden Varianten nach Beendigung der sogenannten Vollzeitschulpflicht, also in der Regel mit 16 Jahren. Und während das Freiwillige Jahr nur einmal geleistet werden kann, lässt sich der BFD nach jeweils fünf Jahren Pause immer mal wieder in Angriff nehmen. Für den Dienst gibt’s ein Taschengeld, hinzu kommen in vielen Fällen kostenlose Verpflegung oder eine Verpflegungspauschale, manchmal auch Unterkunft und Dienstkleidung. Außerdem werden die Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet.
Für alle gilt: „Freiwilligendienst ist eine Lern- und Orientierungsphase und bietet die Möglichkeit, sich, durch das Engagement für andere, neu kennenzulernen“. So fasst es Laura Hissnauer vom Referat Freiwilligendienst im Caritasverband für die Diözese Speyer zusammen. Ihr Referat koordiniert die Bewerbungen und Stellen für den BFD in Einrichtungen der Caritas im Bistum. Eingesetzt werden „Bufdis“ in „Einrichtungen des Gemeinwohls“ - das sind unter anderem Wohnheime, Werk- und Förderstätten für Menschen mit Beeinträchtigung, Krankenhäuser und Altenzentren, Einrichtungen für psychisch kranke Menschen, Einrichtungen der Obdachlosenhilfe oder zur Unterstützung Bedürftiger. Seit Dezember gibt es zusätzliche Stellen durch das Sonderprogramm „Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug“, das sich an mindestens 18-Jährige richtet, die in Projekten der Flüchtlingshilfe arbeiten wollen, oder aber selbst Flüchtlinge sind und auch in den anderen Einrichtungen des Gemeinwohls ihren Dienst leisten können.
BFD eröffnet Perspektiven
Durch den BFD sich selbst neu zu erfahren kann auch berufliche Orientierung oder Neuorientierung bedeuten. Insgesamt wollen rund 80 Prozent der Freiwilligen im sozialen Arbeitsfeld nach ihrem BFD auch dort arbeiten, kann Laura Hissnauer für die von ihrem Referat Betreuten bilanzieren. Und die Chancen seien gar nicht so schlecht: „Insgesamt erhalten 60 Prozent aller unserer Freiwilliger eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in ihrer Einsatzstelle“.
Bundesfreiwiligendienst 27 plus
Im „BFD 27plus“, die Kurzbezeichnung für den Bundesfreiwilligendienst ab 27 Jahren, liege die Chance etwa bei 40 Prozent. Der „BFD 27plus“ unterscheidet sich durch einige Sonderregelungen vom „BFD u27“: So können ältere Freiwillige auch in Teilzeit ihren Dienst leisten, während die jüngeren Vollzeit-Stellen besetzen müssen. Die Gesamtdauer ist aber bei allen flexibel zwischen sechs und maximal 18 Monaten variierbar. Begleitend gibt’s immer auch Bildungs- und Fortbildungseinheiten - bei den Jüngeren in Form von Wochenseminaren, bei den Älteren in Form von Seminartagen. Die Dienstaufnahme ist zu jedem Monatsbeginn möglich, fügt Hissnauer an.
Dass sich durch den BFD berufliche Perspektiven eröffnen, verdankt sich einerseits der Tatsache, dass viele Einsatzstellen gleichzeitig auch Ausbildungsbetriebe sind und sich Ausbilder und potenzielle Auszubildende während des BFD schon kennenlernen können. Andererseits kann ein Freiwilligendienst in vielen Ausbildungs- und Studienbereichen, in denen ein Vorpraktikum verlangt wird, als solches angerechnet werden, betont die Referentin. Weil häufig die von Ausbildungsschulen im sozialen Bereich verlangte Dauer des Vorpraktikums ein Jahr beträgt, wählen die meisten „Bufdis“ eine Dienstdauer von zwölf Monaten.
Herausgegeben vom Caritasverband für die Diözese Speyer Text: Christine Kraus /Wipress / Fotos: Caritas/Kraus
