Donnerstag, 30. Januar 2020

„Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“

Von links: Weihbischof Otto Georgens, Ordinariatsdirektorin Christine Lambrich, Weihbischof Dr. Udo Bentz und Pfarrer Arno Vogt. 

Nardinitag mit Vortrag von Weihbischof Udo Bentz zu priesterlichem Selbstverständnis nach der MHG-Studie

Pirmasens. Am Nardinitag  waren auch in diesem Jahr wieder die Priester und Diakone der Diözese vom hiesigen Klerusverein zu einem Nachmittag nach Pirmasens eingeladen. Nach dem eingangs gereichten Kaffee trafen sich alle Angereisten im Pfarrheim zu einem Vortrag. Dieser wurde in diesem Jahr von Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz aus Mainz gehalten, der aus dem Bistum Speyer stammt und gleich zu Beginn die heimatliche Atmosphäre lobend erwähnte.

Zu Beginn des Vortrags begrüßte der stellvertretende Vorsitzende des Klerusverein, Pfarrer Arno Vogt, die Gäste, darunter auch Weihbischof Otto Georgens und die Personalchefin Christine Lambrich als Vertreter der Bistumsleitung. Er dankte Weihbischof Dr. Bentz für seine Bereitschaft, den Nachmittag mit seinem Vortrag zu gestalten.

Weihbischof Bentz begann seinen Vortrag mit der Beschreibung seines Aufgabenbereichs als Generalvikar, der ihn zum Zuständigen für die Aufarbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs in der Diözese Mainz macht. Bei aller Aufklärungsarbeit blieben in der Öffentlichkeit wie auch im binnenkirchlichen Bereich stets die Fragen nach der Schuld sowie nach konkret zu benennenden Tätern im Vordergrund. Diese führe insbesondere zur Schwierigkeit, die Kirche als eine Solidargemeinschaft wahrzunehmen, da viele eine konkrete Verantwortlichkeit ihrerseits nicht erkennen. Der Weihbischof sprach hier von einem „traumatisierten System“, bei dem gerade Sachlichkeit und Emotionalität aufeinanderprallen und die Frage nach der Instrumentalisierung der zugrundeliegenden Thematik nicht zu unterschätzen sei.

Insbesondere das Vertrauensverhältnis zwischen Gläubigen und Priestern könne als gestört wahrgenommen werden. Dabei unterschied Bentz aber eine Fern- und eine Nahperspektive. Während allgemein Kirche, Bistum, Priester als problematisch gekennzeichnet würden, blieben persönliche Kontakte und damit einzelne Geistliche durchaus positiv konnotiert. Dennoch blieben auch alle Priester Teil des Systems Kirche, was Auswirkungen auf die priesterliche Existenz zur Folge habe.

Der Weihbischof wies weiterhin auf eine „Krise der Sakramentalität hin, die das Fundament der Kirche darstelle und mit der priesterlichen Identität aufs Engste verbunden sei. Dort, wo diese sakramentale Dimension nicht mehr wahrgenommen würde, blieben auch Fragen etwa nach der Leitung als Teil des Hirtendienstes unbeantwortet, was die Auswirkungen der MHG-Studie zeigten.

Als biblische Fundierung seines Vortrags verwies Bentz auf den 2. Korintherbrief, in dessen 12. Kapitel Paulus vom „Stachel im Fleisch“ spricht, der ihn begleitet und den er nicht zu entfernen vermochte. Es ist eine konkrete Schwäche, deren sich Paulus bewusst wird, die aber auch Teil seines Apostelamtes wird und die er als konkrete Aufgabe kennzeichnet „damit ich mich nicht überhebe“. Weihbischof Bentz stellte die Bejahung des Leids heraus, wodurch Paulus fortfahren kann, dass „die Kraft in der Schwachheit vollendet wird“ und er erkennt: „wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“.

Der „Stachel im Fleisch“ wird so für Bentz zu einem Typus, einem geistlichen Motiv, das gerade auch auf die angesprochene Situation der Geistlichen heute angewendet werden könne. Wie Paulus lernen musste, auch öffentlich mit diesem Makel umzugehen, so sieht Bentz auch die heutige Kirche und darin die Geistlichen in der Pflicht, sich dem Makel der kirchlichen Gemeinschaft zu stellen. Es hieße, wie es auch Franz Kamphaus schrieb, mit Jesus diesen Schmerz annehmen und sich so im Hinterfragen auf Christus als das Fundament der Kirche und der priesterlichen Existenz zu besinnen.

Im bewussten Annehmen läge dabei die Kraft, so Bentz, die Situation zu wandeln und zu erkennen, dass sich Gott gerade auch angeschlagener Existenzen bedient, sein Werk umzusetzen, da es nicht auf die Ausstrahlung des Einzelnen, sondern auf die des Evangeliums ankomme.

Weihbischof Bentz stellte dann auch heraus, dass bis heute Kirche und darin der sakramentale Dienst des Priesters unverzichtbar seien. Im Blick auf die Zukunft seien aber auch ein Perspektivenwechsel und die Fähigkeit zur Selbstdistanz unverzichtbar. Dort, wo Kirche und Priester in Frage gestellt werden, könne nicht nur eine Verteidigungshaltung vorherrschen, sondern Fragen müssen aufgegriffen und weitergedacht werden. In der Besinnung auf das eigentliche Fundament – Christus – können so auch neue Wege beschritten werden, wie es etwa der beginnende synodale Weg aufgreift.

Hier zeige sich, so Bentz, auch die Auswirkung der MHG-Studie auf die Ekklesiologie. Wie es bereits Karl Rahner schrieb, wird die Kirche immer mehr als eine „Heilige Kirche der Sünder“ wahrzunehmen sein bzw. als eine sündige Kirche, die von Gott die Heiligkeit empfängt. Heiligkeit kann nicht selbst gemacht werden, sondern Gott heilige seine Kirche trotz ihrer Sünden.

Bentz wies dabei auf Fragestellungen hin, wie diese aktuelle Situation auch ekklesiologisch weiter aufgegriffen werden könne, auch mit den Fragen nach Partizipation, Leitung und Macht. Auch die Frage nach einer „Hirtenautorität“, die sich nicht nur an Leitung, sondern am Einheitsdienst für die jeweils anvertraute Herde festmache, gehörten in diesen Fragekomplex. Und so bleibe nach Weihbischof Bentz als Kernfrage bestehen, worin die eigentliche Kompetenz des Priesters besteht. Dabei müsse wiederum die Frage nach der Sakramentalität ins Spiel kommen, die in der heutigen Zeit kaum wahrgenommen, geschweige denn verstanden würde und selbst von Priestern in ihrem sakramentalen Dienst häufig außer Acht bleibe.

Hier ermutigte Weihbischof Bentz zum Ende seines Vortrags die Anwesenden sich neu dieser sakramentalen Ebene zu vergewissern und daraus authentisch und glaubwürdig ihren Dienst zu gestalten. Insbesondere dort, wo die eigene Existenz als angeschlagen wahrgenommen würde, könne eine Besinnung auf Christus als das Fundament des priesterlichen Lebens helfen, die Sakramentalität als priesterliche Kernkompetenz neu zu entdecken und daraus zu leben. Hierzu gehöre auch, Beziehungen glaubwürdig zu leben und sich so ganz in den Dienst des Herrn zu stellen. Mit einem Verweis auf Paul Josef Nardini beschloss Weihbischof Bentz seinen Vortrag: „Wo ich bin, bin ich ganz“ und „wer Gott liebt ist mächtig, auch in der Schwäche.“

An den Vortrag schloss sich ein Austausch des Auditoriums mit Weihbischof Bentz an, der von Christine Lambrich moderiert wurde. Zum Abschluss des Nardinitages wurde in der Kapelle des Seligen die Vesper gebetet, der Weihbischof Georgens vorstand und die von einer Priesterschola und Manfred Degen an der Orgel musikalisch gestaltet wurde.

Text und Bild: Dominik Geiger, Klerusverein