Montag, 27. März 2017

„Magdeburg ist näher als man denkt“

Beim Studientag für ökumenisch Interessierte ging es um die Situation in den Bistümern Magdeburg und Speyer. 

Studientag zur kirchlichen und ökumenischen Situation im Lande Luthers

Neustadt/Speyer. „Magdeburg ist näher als man denkt, auch wenn 535 Kilometer zwischen der ostdeutschen Bischofsstadt und Speyer liegen.“ Mit diesen Worten begrüßte Ökumenereferent Dr. Thomas Stubenrauch die über 40 Teilnehmenden am Studientag für ökumenisch Interessierte und Engagierte im Kloster Neustadt. Der Ökumenebeauftragte des Bistums Magdeburg Ralf Knauer stellte die kirchliche und ökumenische Situation im Lande Luthers vor. Diese mache es notwendig, über ein anderes Selbstverständnis von Kirche und über eine „Ökumene der dritten Art“ nachzudenken.

Gemeinsame Entwicklungen in den Bistümern Magdeburg und Speyer
„Zwar sind in der Pfalz noch etwa 70 Prozent der Bevölkerung Christen, während es in der Stadt Magdeburg nur noch ca. 10 Prozent sind. Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Regionen sind dennoch größer als vermutet“, so Stubenrauch in seiner Einführung. Er verwies darauf, dass im Bistum Speyer die Zahl der kirchlichen Trauungen und Firmungen in den vergangenen 35 Jahren um ca. 75 Prozent zurückgegangen ist. Vor allem in größeren Städten sei die Entkirchlichung greifbar: „In Ludwigshafen sind Katholiken und Protestanten zusammen mittlerweile in der Minderheit. Mancherorts wird inzwischen nur noch die Hälfte aller Kinder getauft.“ Deshalb, so Stubenrauch weiter, wolle man beim Studientag Ökumene im Jahr des Reformationsgedenkens in die Region blicken, in der die Reformation ihren Ausgang nahm, um von dort Impulse für eine missionarische Ökumene zu erhalten.

Für eine „Ökumene der dritten Art“
„In unserem Gebiet ist es normal, keiner Kirche oder Religion anzugehören“, beschrieb Knauer die religiöse Situation in Ostdeutschland. Dabei seien die meisten Konfessionslosen keine Atheisten, sondern religiös indifferent. Für sie gelte der Satz: „Ich glaube nichts, mir fehlt aber auch nichts.“ In solch einem Umfeld habe Kirche eine „Stellvertreterfunktion“. Erste Aufgabe der Kirche sei es nicht, „Mitglieder zu werben oder die Herde zusammenzuhalten“, sondern „Platzhalter zu sein für Themen, Traditionen, Rituale und für Lebensmöglichkeiten“. Die Kirche in Ostdeutschland verstehe sich als „Tankstelle, zu der man fahren kann, wenn man sie braucht, wo man aber nicht zwangsläufig bleiben muss“. Dies erfordere auch eine „Ökumene der dritten Art“. Schon zur DDR-Zeit seien die Kirchen im Osten Deutschlands „dicht zusammengerückt“. So seien etwa ökumenische Jugendkreuzwege „kleine Demonstrationen christlichen Glaubens“ gewesen. Heute müsse man noch stärker nach Wegen suchen, angesichts eines areligiösen Umfelds möglichst viel gemeinsam zu tun. „Dabei sollen die Ehrfurcht und der Respekt vor der Weltanschauung und den Lebensoptionen der religiös Gleichgültigen Vorrang haben.“

Missionarisch-ökumenische Initiativen in Ostdeutschland
Ein Beispiel für eine solche Ökumene der dritten Art sind für Knauer die ökumenisch gestalteten Feiern der Lebenswende. Als Alternative zur nach wie vor verbreiteten Jugendweihe werden Schülerinnen und Schüler, die die 8. Klasse besuchen, zu einem Übergangsritual vom Kindes- ins Jugendalter eingeladen. „In der mehrere Monate dauernden Vorbereitungszeit sind die Jugendlichen und ihre Eltern oft  intensiver bei der Sache als manche Firmbewerber“, so die Erfahrung Knauers. Zwar finde die Feier der Lebenswende in einer Kirche statt und stelle eine biblische Erzählung in die Mitte. „Aber wir wollen nicht durch die Hintertür missionieren“, stellte Knauer klar. Auch für die Bistümer und Landeskirchen in Mitteldeutschland sei die Ökumene zentral. Deshalb habe man im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentags in München 2010 beschlossen, künftig nur noch miteinander in der Öffentlichkeit aufzutreten. Unter dem Motto „Ökumene in der Mitte“ habe man seither auf allen Evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen gemeinsam Präsenz gezeigt.

Positive Rückmeldungen der Teilnehmer
Das Echo der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende des Studientages war durchweg positiv: „Mir hat das Bild der Kirche als Tankstelle gefallen, da es für mich entlastend ist“, „Mir hat es gut getan zu hören, dass es andernorts ähnliche Probleme gibt“, „Und ich freue mich heute schon auf den hoffentlich nächsten Studientag Ökumene im kommenden Jahr“.

Text/Foto: Thomas Stubenrauch