Montag, 23. Mai 2016
"Es geht um das Menschsein des Menschen"

Der neue Diözesanvorstand des Kolpingwerkes (v.li.n.re.): Matthias Raab, Thomas Bettinger, Bernd Bastian von Ruville, Harald Reisel, Gisela Schroth, Pfr. Michael Baldauf, Walter Rung, Pfr. Jörg Stengel, Diakon Andreas W. Stellmann, Annika Bär, Matthias Donauer, Eva Kurz, Daniel Reiß und Fabian Geib. Nicht auf dem Bild: Andrea Storminger.
Kolping erinnert an 125 Jahre Sozialenzyklika "Rerum Novarum" - Andreas W. Stellmann (Heßheim) zum drittenmal zum Diözesanvorsitzenden gewählt
Wattenheim. Vor 125 Jahren, genau am 15. Mai 1891, hat Papst Leo XIII. das erste Soziallehrschreiben „Rerum Novarum“ veröffentlicht. Mit ihm beginnt die Reihe der Sozialenzykliken des 20. Jahrhunderts, die als Katholische Soziallehre wesentlich Menschenbild und Sozialpolitik in den europäischen Ländern prägte. An diesen Meilenstein erinnerte das Kolpingwerk Diözesanverband Speyer in einer Erklärung, die einstimmig vom höchsten Entscheidungsgremium des katholischen Verbandes, der Diözesanversammlung, in Wattenheim verabschiedet wurde.
In seiner Enzyklika warnte Papst Leo XIII. vor einem Klassenkampf. Er mahnte, die Arbeitenden nicht als Sklaven zu behandeln, das Recht auf Privateigentum zu achten, Menschen nicht mit bloßer Gewinnabsicht auszubeuten oder mehr von den Werktätigen zu fordern, als leistbar sei. „Dem Arbeiter den ihm gebührenden Verdienst vorenthalten, ist eine Sünde, die zum Himmel schreit“, schrieb der Papst. Er erinnerte zudem die Reichen an die Pflicht zum „gerechten Gebrauch des Besitzes“ und forderte sie zur Wohltätigkeit auf.
Der Diözesanvorsitzende des Kolpingwerkes, Diakon Andreas W. Stellmann (Heßheim), würdigte vor den 100 Delegierten und Gästen des Verbandes die Leistung Papst Leo´s XIII. und wies darauf hin, dass mit diesem Lehrschreiben die Katholische Kirche eine selbstständige, aus eigenen Quellen erwachsene Position zwischen Liberalismus und Sozialismus, zwischen Kapitalisten und Proletariern eingenommen habe. „Der Papst hat damit einen dritten – wir können sagen: katholischen - Weg zwischen den Extremen formuliert und wurde so zum Begründer einer christlichen Gesellschaftslehre, die in der Folge großen Einfluss und Gestaltungskraft auf die Politik ausübte“, sagte Stellmann. „Die katholische Soziallehre ist Vorreiter der Sozialen Marktwirtschaft als Antwort auf einen ungezügelten Kapitalismus. Zu ihren Vätern gehören Adolph Kolping, Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler und der Selige Paul Josef Nardini.“
"Wattenheimer Erklärung"
Matthias Donauer (Kindsbach), im Diözesanvorstand des Kolpingwerkes für den Aufgabenbereich Gesellschaft und Politik verantwortlich und Vorsitzender des Arbeitskreises Landespolitik, griff zentrale Aussagen der „Wattenheimer Erklärung“ auf und machte auf aktuelle Fehlentwicklungen unserer marktwirtschaftlichen Ordnung aufmerksam, die das Prädikat „sozial“ in Frage stellten:
- Sonn- und Feiertagsarbeit nimmt weiterhin zu. Sie stieg von 20,6 % (1992) auf 28,6 % (2012). Versandhändler und Callcenter, die rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche arbeiten, tragen in wachsendem Maße dazu bei.
- Die Tarifbindung bei Beschäftigten nimmt weiter ab. Nach Flächentarifverträgen sank der Anteil zwischen 1996 und 2014 im Westen von 70 auf 53 Prozent und im Osten von 56 auf 36 Prozent.
- Die Aushöhlung der betrieblichen Mitbestimmung ist besorgniserregend: Derzeit wird nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung 800.000 Arbeitnehmern die Mitbestimmung mit juristischen Tricks vorenthalten, zum Beispiel durch Nutzung einer ausländische Rechtsform. Die Zahl der Unternehmen, deren Hälfte des Aufsichtsrates aus Arbeitnehmern bestand, ist von 767 (2002) auf 635 gesunken.
- Ebenso bilden Werkverträge und Scheinselbständigkeiten oftmals moderne Formen der Ausbeutung; sie widersprechen unserem Grundsatz vom gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
- Die Altersarmut wird in den kommenden Jahrzehnten deutlich steigen. Sie ist entwürdigend und häufig mit Resignation, Depression und sozialer Isolation verbunden. Durch politische Entscheidungen wurde der Arbeitsmarkt dereguliert und der Sozialstaat demontiert. Eine auskömmliche Rente, die als Lohn für Lebensleistung gelten kann, muss aber bedarfsgerecht, armutsfest und solidarisch sein.
Papst Johannes XXIII. habe erklärt, dass die Soziallehre der katholischen Kirche fester Bestandteil der christlichen Lehre vom Menschen ist, sagte Donauer weiter. Sie sei heute so aktuell wie damals und gebe mit den Prinzipien Personalität, Subsidiarität, Solidarität und Gemeinwohl Orientierung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie für alle Verantwortlichen in Wirtschaft, Politik und Kirche. „Es geht um Arbeits- und Lebensbedingungen, die gelingendes Menschsein ermöglichen!“ Das Kolpingwerk als katholischer Sozialverband werde seinen Beitrag dazu leisten.
Kolpingwerk wählt Vorstand
Vor dem Regularienteil konnte Vorsitzender Stellmann als Gäste Marlies Kohnle-Gros MdL (Hütschenhausen), die Vorsitzende der Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind, den Vizepräsidenten der Handwerkskammer, Michael Lehnert (Münchweiler a.d.R.), den Regionsvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Detjen (Kaiserslautern), Dr. Thomas Kiefer vom Bischöflichen Ordinariat in Speyer und Wolfgang Simon (Kronach), Mitglied des Bundesvorstandes des Kolpingwerkes Deutschland, herzlich begrüßen. Ein Grußwort sprach Ortsbürgermeister Andreas Werle.
In den turnusmäßigen Neuwahlen wurde Diakon Andreas Stellmann zum drittenmal zum Vorsitzenden des katholischen Sozialverbandes gewählt. Matthias Donauer folgte Elke Boudgoust (Oggersheim), die nicht mehr kandidierte, als neuer stellvertretender Diözesanvorsitzender nach. Im Amt bestätigt wurden Harald Reisel (Dahn) als zweiter stellvertretender Diözesanvorsitzender und Pfarrer Jörg Stengel (Kindsbach) als stellvertretender Diözesanpräses. Neu im Vorstand ist Andrea Storminger aus Dirmstein. Storminger vertritt das Kolpingwerk im Beirat der Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind in Speyer. Im Amt bestätigt wurden als Vorstandsmitglieder Bernd Bastian-von Ruville (Rohrbach), Matthias Raab (Beindersheim), Walter Rung (Hochspeyer) und Gisela Schroth (Dirmstein).
Schon am 10. April wählte die Diözesankonferenz der Kolpingjugend Eva Kurz (Kaiserslautern), Daniel Reiß (Erfenbach) und Fabian Geib (Landstuhl) zu ihrer Jugendleitung. Mit Annika Bär (Grünstadt), deren Amtszeit andauert, gehören sie mit Sitz und Stimme dem Diözesanvorstand des Speyerer Kolpingwerkes an. Diözesanpräses Michael Baldauf (Heßheim), der erst im vergangenen Jahr in sein Amt gewählt wurde ist, bestätigte die Neuwahlen und gratulierte dem neuen Vorstand, den Diözesansekretär Thomas Bettinger mit beratender Stimme vervollständigt. Baldauf wünschte dem Führungsgremium Kraft und Gottes Segen für die Arbeit in der vierjährigen Amtsperiode. Anstelle von Jürgen Metzger, Kaiserslautern wurde Andreas Gebauer (Ludwigshafen-Oggersheim), zum Kassenprüfer gewählt. Diözesanvorsitzender Stellmann dankte dem Vorsitzenden Wolfgang Breitwieser für die herzliche Aufnahme und die reibungslose Organisation durch die Kolpingsfamilie Hettenleidelheim.
Text/Foto: Kolping