Montag, 06. Juli 2015
Besuch aus Ecuador

Elizabeth Villamar, Claudia Patricia Uribe und Monika Bossung-Winkler (v.l.) bei einem Gespräch in der Pilger-Redaktion.
Zwei Expertinnen für Inklusion aus Guayaquil zu Gast im Bistum Speyer
Speyer (06.07.2015). Beim Thema inklusive Schule unterscheiden sich die Fragen und Probleme in Ecuador nicht sehr von denen in Deutschland – das ist eine Erfahrung, die Claudia Patricia Uribe und Elizabeth Villamar bei ihren Gesprächen mit rheinland-pfälzischen Bildungspolitikern und Pädagogen in den letzten Tagen gemacht haben. Die beiden Ecuadorianerinnen sind für zwei Wochen zu Gast im Bistum Speyer, auf Einladung der Schulabteilung des Bistums und des Projektes Globales Lernen in Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Hilfswerk Misereor. Auf ihrem Reiseprogram stehen Begegnungen mit Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Schulen, Gespräche mit Schülern und Studenten und Besuche in Schulprojekten in der Pfalz.
Uribe ist Psychologin, Gründerin und Direktorin der Stiftung Assesores en Desarrollo Social (ADES), übersetzt „Berater in Gemeinwesenentwicklung“. Die Nichtregierungsorganisation will Menschen aus sozialen Brennpunkten durch Bildung und Fortbildung, Inklusion und Sozialforschung unterstützen, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. So ist ADES Träger der inklusiven Schule „Generation neues Jahrtausend“ in einem Armenviertel in der größten Stadt Ecuadors, Guayaquil. Direktorin der Projektschule ist Elizabeth Villamar. Die ausgebildete Entwicklungspsychologin erstellt von jedem der zurzeit insgesamt 200 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen vier und 15 Jahren ein Entwicklungsbild, um dann ein individuelles Lehrprogramm für die einzelnen Kinder festzulegen. Viele sind unter- oder fehlernährt und kommen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Lernstörungen und Lernbehinderungen sind deshalb nicht selten. 60 von ihnen haben einen speziellen Förderbedarf.
Die speziellen, individuellen Förderprogramme für jedes Kind sind allerdings eher die Ausnahme im ecuadorianischen Schulsystem, denn nur wenige Lehrerinnen und Lehrer lernen im Rahmen ihrer Ausbildung auch etwas über Inklusion. „Unsere Schule ist Vorreiter in diesem Bereich“, erklärt Uribe. „Am Anfang stand erst einmal die Sensibilisierung für das Thema bei Eltern, Mitschülern und auch den Lehrern.“ Inzwischen habe sich herumgesprochen, „dass die Schule in Ordnung ist“. Zum Angebot der Schule gehören neben einem Frühstück auch Aktivitäten am Nachmittag wie Hausaufgabenbetreuung oder Katechese, die von Freiwilligen aus dem Kollegium und der Gemeinde angeboten werden.
Im Unterschied zu staatlichen Schulen, wo bis zu 40 Kinder eine Klasse besuchen, liegt die Klassenstärke bei höchstens 25 Schülerinnen und Schülern. Sie werden von einem 13-köpfigen Team von Lehrerinnen betreut. Zu den Kosten von 150 Dollar pro Schüler trägt die Stadt mit 25 Stipendien für Inklusionskinder bei. Ein Teil der Schüler zahlt ein Schulgeld zwischen 25 und 30 Dollar, aber nur wenn die Familien etwas bezahlen können. Den Rest der Kosten trägt die Stiftung, die auch andere soziale Projekte für Menschen mit Behinderung oder für Senioren unterhält und Aufträge von privaten oder öffentlichen Unternehmen und Institutionen im Bereich der Sozialforschung übernimmt.
Große Unterschiede im Bereich inklusive Bildung zwischen ihrem Land und Deutschland haben die beiden Ecuadorianerinnen bisher nicht festgestellt. „Die größte Herausforderung ist überall die Umsetzung“, sind sich Patricia Uribe und Elizabeth Villamar einig. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in Deutschland werden sie zuhause besonders mit ihren Kolleginnen in der Schule teilen, denn im vergangenen Jahr hatte eine 16-köpfige Gruppe von Lehrerinnen und Lehramtsstudentinnen aus der Pfalz die Schule „Generation neues Jahrtausend“ besucht und dort kleine Projekte durchgeführt. Initiatorin des Begegnungsprogramms, das jetzt mit dem Gegenbesuch der beiden Ecuadorianerinnen fortgesetzt wurde, ist Dr. Monika Bossung-Winkler, Referentin für Globales Lernen in der Schulabteilung des Bistums. Sie hat selbst einige Jahre an der Schule in dem südamerikanischen Land gearbeitet. In den letzten zehn Jahren haben außerdem in Zusammenarbeit mit der katholischen Friedensorganisation Pax Christi sieben junge Menschen aus Deutschland in der Einrichtung einen Freiwilligendienst geleistet.
Zur Unterstützung der Arbeit von Claudia Uribe und Elizabeth Villamar sammelten in den letzten Tagen Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Kirchendienst aus dem Bistum Speyer für das Inklusionsprojekt und auch die Kollekte des Festgottesdienstes zur Verleihung der „Missio Canonica“ am vergangenen Freitag kommt dem Engagement der beiden zugute.
Text/Foto: is