Montag, 18. April 2016
Jugendliche Osteuropas brauchen Perspektiven
Katholikenrat macht Renovabis-Pfingstaktion zum Thema – Begegnung mit Gast aus Sarajevo
Waldfischbach-Burgalben. Die Gründung der Solidaritätsaktion „Renovabis“ im Jahr 1993 geht maßgeblich auf eine Initiative des Laienkatholizismus in Deutschland zurück. Daher freute sich Renovabis-Geschäftsführer Dr. Gerhard Albert besonders über die Möglichkeit, bei der Vollversammlung des Speyerer Diözesan-Katholikenrates am Wochenende die Arbeit des kirchlichen Hilfswerks vorstellen zu können. „Die Wurzeln von Renovabis – wie auch die der anderen kirchlichen Hilfswerke – liegen in den Diözesen, betonte er.
Zu den zwei Stunden intensiver Information und Diskussion hatte Weihbischof Otto Georgens, im Bistum Speyer für den Bereich Weltkirche verantwortlich, nicht nur den Geschäftsführer von Renovabis, sondern auch den Weihbischof in Sarajevo, Dr. Pero Sudar, nach Maria Rosenberg mitgebracht. Der Weihbischof ist ein wichtiger Projektpartner von Renovabis in Bosnien und Herzegowina. Ebenso standen Thomas Müller-Böhr, in der Renovabis-Zentrale in München-Freising für Partnerschaften, Dialog und Freiwilligendienst zuständig, und Herbert Schedler als Gesprächspartner zur Verfügung. Schedler betreut die Renovabisprojekte in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Armenien, Aserbaidschan und Georgien.
Weihbischof Georgens verwies in seiner Begrüßung auf die Delegationsreise aus dem Bistum Speyer im Herbst vergangenen Jahres nach Bosnien und Herzegowina. Sie habe für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, zu denen auch mehrere Mitglieder des Katholikenrates gehörten, viele Probleme der Region wie in einem Brennglas sichtbar gemacht – vor allem, was die Perspektivlosigkeit der jungen Generation angehe. Der Speyerer Weihbischof verwies gleichzeitig auf die vielen von Renovabis geförderten Projekte, die vielerorts Leutturm-Funktion hätten. In diesem Zusammenhang nannte er die insgesamt sieben „Schulen für Europa“, die Weihbischof Sudar teilweise noch im Bosnienkrieg (1992 bis 1995) ins Leben gerufen hat, und in denen junge Moslems (Bosniaken), junge Katholiken (Kroaten) und junge Orthodoxe (Serben) gemeinsam für die Zukunft lernen.
Die Abwanderung gerade von jungen Leuten, die in ihrer Heimat keine Perspektive mehr sehen, ist eines der drängenden Probleme nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas. „Viele Jugendliche sind chancenlos“, ging Müller-Böhr auf das Motto der diesjährigen Pfingstaktion ein: „Jung, dynamisch, chancenlos". „Der Exodus ist in vollem Gang“, unterstrich er. In Bosnien-Herzegowina wollten 70 Prozent der Jugendlichen auswandern; viele hätten das Interesse an der Entwicklung ihres Landes verloren.
Weihbischof Sudar dankte Renovabis und den deutschen Katholiken für die Unterstützung. „Ohne diese wäre der Aufbau der Europa-Schulen nicht möglich gewesen“, betonte er und griff den Gedanken von der Leuchtturm-Funktion auf. Bosnien und Herzegowina sei ein kleines und armes, aber auch sehr kompliziertes Land. Mit seinen rund 3,8 Millionen Einwohnern sei es hinsichtlich der Einwohnerzahl sehr sehr viel kleiner als die meisten deutschen Bundesländer und verdiente von diesem Standpunkt kein großes Interesse. „Aber seine geopolitische Lage und sein interethnischer und interreligiöser Charakter haben ein großes symbolisches Gewicht. In diesem Land wird nämlich die Möglichkeit und die Bereitschaft des friedlichen Zusammenlebens zwischen Christen und Moslems, zwischen Serben und Kroaten auf die Probe gestellt.“ Es geht nicht nur um die Frage einer Bereitschaft zum politischen Dialog, sondern auch zum echten Ökumenismus und zum interreligiösen Dialog, so der Weihbischof. Und noch wichtiger, es gehe um die Frage, ob so etwas wie ein „europäischer Islam existiert und ob die Europäische Union noch fähig und bereit ist, ein Land mit moslemischer Mehrheit zu akzeptieren und zu integrieren.“
Trotz der vielen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Probleme gebe es kleine Initiativen und Zeichen zugunsten der Jugendlichen im Land. Weihbischof Sudar: „Trotz allem bleibt die Hoffnung nicht nur auf eine bessere Zukunft, sondern auch auf ein Überleben der katholischen Kirche im Land der Begegnung. Trotz allem wünsche ich mir mehr Jugendliche, die verstehen, dass der Mensch in seinem eigenen Land nicht immer leichter und besser, aber doch normaler als anderswo lebt. Wir versuchen,ihnen dies auch durch die Schulen für Europa zu vermitteln.“
Die Mitglieder des Speyerer Katholikenrates zeigten sich beeindruckt von den Schilderungen des Weihbischofs von Sarajevo und der Arbeit von Renovabis. Wie dessen Geschäftsführer Gerhard Albert sehen sie die Bedeutung der konkreten Unterstützung der Menschen. Gleichzeitig sei der Beitrag zur Versöhnung unter den Religionen und den Völkern Europas von immenser Bedeutung, so wurde in der Diskussion deutlich.
Text / Foto: Norbert Rönn, Pilger
