Donnerstag, 03. November 2016
Kolpingwerk beschließt Memorandum zum Lebensschutz
Diakon Andreas W. Stellmann aus Heßheim in Bundesvorstand gewählt
Köln/Kaiserslautern. Mit großer Mehrheit verabschiedete die Bundesversammlung des Kolpingwerkes Deutschland in Köln ein „Memorandum zum Schutz des menschlichen Lebens“. An der Versammlung nahm eine zehnköpfige Delegation aus dem Bistum Speyer teil.
Zu dem Memorandum gibt es mehrere Anlässe. Zwei Beispiele: Zu Tausenden werden in Deutschland künstlich befruchtete Embryonen eingefroren und, falls nicht mehr benötigt, „verworfen“. Im Gesundheitswesen prüft man gegenwärtig, ob ein einfacher Bluttest als Kassenleistung eingeführt wird, dessen einziger Nutzen darin besteht, eine mögliche Behinderung des ungeborenen Kindes festzustellen. Erfahrungsgemäß wird in 90 Prozent der Fälle ein Schwangerschaftsabbruch erfolgen. Die Bundesversammlung des Kolpingwerkes lenkt nun das Augenmerk auf diese Konfliktthemen.
Der katholische Sozialverband hält in seinem Memorandum fest: Über die Wahrung der Menschenwürde zu wachen und das menschliche Leben vom ersten bis zum letzten Augenblick zu schützen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des staatlichen Handelns. Die missbräuchliche Verwendung von Fortpflanzungstechniken ist durch den Gesetzgeber seit 1990 unter Strafe gestellt. Die Praxis der Reproduktionsmedizin hat diesen Schutz inzwischen jedoch ausgehöhlt. Über vorgeburtliche Untersuchungen von Embryonen entscheiden nicht – wie gesetzlich vorgesehen – Ethikkommissionen auf Länderebene im Einzelfall, sondern in vielen tausend Fällen Reproduktionszentren.
Während sich viele Menschen für Inklusion und Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen stark machen, prüft der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen im Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherungen, ob die Versicherten in Zukunft leichter und preiswerter feststellen können, behindertes Leben bereits während der Schwangerschaft zu identifizieren.
Gleichzeitig werden Schwangerschaftsabbrüche vielfach nicht mehr automatisch als Tötung menschlichen Lebens betrachtet, vielmehr wird das Recht jeder Frau, autonom über einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, betont. Letzteres geschieht auch durch Organisationen, die schwangere Frauen in Konfliktsituationen beraten und ihnen einen Berechtigungsschein für einen legalen Abbruch ausstellen.
„Bedauerlich und im Ergebnis verheerend ist der Rückzug der katholischen Kirche aus dem Beratungssystem gemäß § 219 StGB im Jahr 2001“, stellt das „Memorandum zum Lebensschutz“ fest. Der Initiative „Donum vitae“, die aus Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und aus Trägern früherer katholischer Beratungsstellen hervorgegangen ist, sei es zu verdanken, dass es weiterhin Beratungsstellen gebe, deren Träger uneingeschränkt hinter den gesetzlichen Regelungen und den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichtes für eine grundgesetzkonforme Umsetzung der Konfliktberatung stehen. „Donum vitae“ berät nach den Richtlinien der katholischen Bischöfe für die Schwangerschaftskonfliktberatungen, wie sie bis zum erzwungenen Ausstieg aus dem staatlichen System 2000 galten. Die ersten Beratungstellen entstanden in der Diözese Speyer, in Homburg und Landstuhl.
„Deshalb fordert die Bundesversammlung des Kolpingwerkes Deutschland die Deutsche Bischofskonferenz auf, das bei Donum vitae erbrachte Engagement aus christlicher Verantwortung heraus anzuerkennen. Vor dem Hintergrund des Bewusstseinswandels in der Gesellschaft und der eingetretenen Beratungspraxis empfiehlt das Kolpingwerk Deutschland eine Rückkehr in das Beratungssystem nach § 219 StGB.“ Schon 1999 hatte der Bundeshauptausschuss nahezu einstimmig die Gründung von Donum vitae begrüßt und die Mitglieder des Kolpingwerkes aufgerufen, die Initiative vor Ort ideell und finanziell zu unterstützen, „sofern es die eigene Gewissensentscheidung möglich macht.“
Das Kolpingwerk Deutschland wendet sich gegen jede Form organisierter und kommerzieller Selbsttötungsbeihilfe. Das Memorandum begrüßt die Entscheidung des Deutschen Bundestages mit seinem „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ im November 2015 und sieht darin „ein starkes Zeichen für den Lebensschutz und für ein Sterben in Würde“. Allerdings sei in den Debatten und in entsprechenden Umfragen deutlich geworden, dass es durchaus starke Kräfte gegen die jetzt geltende Regelung gebe.
Das Memorandum appelliert an das Kolpingwerk und seine Gliederungen: „Der Lebensschutz ist nicht allein Aufgabe des Staates und der Politik, sondern der gesamten Gesellschaft. Deshalb sind alle verbandlichen Ebenen aufgerufen, durch Aufklärung, Gewissensbildung und praktische Hilfe für Frauen in Not sowie Schwerkranke am Schutz des menschlichen Lebens mitzuwirken.“
Diakon Andreas Stellmann in den Bundesvorstand gewählt
Zu den Aufgaben der Bundesversammlung gehört es, alle vier Jahre den Bundesvorstand des Kolpingwerkes Deutschland zu wählen. Die 330 Delegierten aus 27 Diözesanverbänden, unter ihnen 10 Delegierte aus der Diözesanverband Speyer, wählten Thomas Dörflinger MdB (Waldshut-Tiengen) erneut zum Bundesvorsitzenden. Zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden bestimmten die Delegierten Klaudia Rudersdorf (Essen). Zum Bundespräses wiedergewählt wurde Msgr. Josef Holtkotte (Köln). In das neue Amt der Geistlichen Leiterin wurde Rosalia Walter (Buchloe) berufen, für das Kolpingwerk eine historische Entzscheidung.
Aus der Diözese Speyer gehört nun Diakon Andreas W. Stellmann (Heßheim) dem Bundesvorstand an. Der Diözesanvorsitzende wurde mit großer Mehrheit in das Leitungsorgan des deutschen Kolpingwerkes gewählt. Nach Ruth Bernhard und Ramona Krämer ist er das dritte Mitglied in diesem Gremium seit den 60er Jahren. Der Fünfundfünzigjährige ist auch Landesvorsitzender des Kolpingwerkes Rheinland-Pfalz.
Text: Kolping/Foto: Matthias Raab
