Montag, 12. März 2018
Vielfältige Impulse für die Pfarreien
Ehrenamtliche aus dem ganzen Bistum diskutieren mit den Kundschafter-Reisenden
Ludwigshafen. Was hat die Farbe Rosa mit der Kirche zu tun? – So hat Maria Herrmann aus dem Bistum Hildesheim ihren Vortrag zum Pastoraltag für Ehrenamtliche im Heinrich Pesch Haus überschrieben. Im Lauf dieses Tages wurde klar: Sehr viel.
Ein Jahr, nachdem das Bistum Kundschafter in die Welt geschickt hat, berichteten sie jetzt interessierten Ehrenamtlichen, was sie erlebt und erfahren haben, welche wichtigen Impulse sie gesammelt haben, die sich auch in das Bistum Speyer übertragen lassen. Die Kundschafter – immer in Tandems aus Haupt- und Ehrenamtlichen aus Pfarreien, Verbänden und Einrichtungen – waren in England, Nicaragua, Südafrika und auf den Philippinen.
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, der mit zu den Philippinen-Kundschaftern gehört hatte, nannte drei zentrale Dinge, die für ihn weiterhin Bedeutung haben: das Loslassen der Frage: „Ist das überhaupt möglich?“, die Bedeutung einer Vision im Sinne dessen, was uns im Innersten berührt sowie die einfache und konkrete Umsetzung des Glaubens in den Alltag, damit Kirche und kirchliches Handeln Profil gewinnt in der Welt.
Ein „trotziges Weiß“ mitten im Lila
Mitten in der Fastenzeit – am Samstag vor Sonntag Lätare, quasi in der Halbzeit oder beim „Gipfelfest“ – verglich die Theologin Maria Herrmann die Kirche mit dieser Zeit. Sie ist symbolisiert durch die Farbe Lila, aber an Sonntag Lätare zeigt sich die Farbe Rosa, ein Durchschimmern von Ostern.
Wieviel Lila steckt in unserer Kirche? – Da gibt es leider viel, sagt sie, und zählt alles auf, wovon es zu wenig gibt: zu wenig Hauptamtliche, Kirchenbesucher, Wallfahrt, Gebäude – aber auch zu wenig Vertrauen und Zuversicht.
Ein „trotziges Weiß“ entdeckt sie aber auch: Menschen, die den Auftrag als Botschafter(innen) vom Reich Gottes und seiner Liebe zu den Menschen ernst nehmen, hoffnungsvolle Aufbrüche und gute Ideen.
Womit die Frage bleibt, für wen die Farbe Rosa taugt. Früher war Rosa nicht die Farbe für kleine Mädchen oder Sommertypen, sondern für junge Männer. Und so, wie sich Farbzuschreibungen ändern, so ändern sich auch Rollenzuschreibungen. Deshalb appellierte Maria Herrmann an alle, das Weiß im Lila zu entdecken, Verantwortung neu zu überdenken und zu verteilen.
Erfahrungen aus den Kundschafterreisen
Im Lauf des Tages zeigte sich, dass die Farbfrage gut zu gebrauchen war, um über die Zukunft und Entwicklung des Bistums, der Pfarreien und des kirchlichen Lebens zu diskutieren. Kurz umrissen die Kundschafter, was sie in der Weltkirche erlebt haben: In Nicaragua lag ein Schwerpunkt auf dem Thema „partizipative Kirche“ und kleine christliche Gemeinschaften. Der Dreiklang von „Glaube – Leben- Handeln“ ergibt sich hier häufig aus dem gemeinsamen Bibellesen, dem Gebet und geteilten Visionen, die als Jahresmotto deutlich sichtbar in den Kirchen und Versammlungsstätten aufgehängt werden und in Gottesdiensten, Katechese und praktischem Tun vertieft werden.
Auch auf den Philippinen spielt das gemeinsame Entwickeln einer Vision eine zentrale Rolle. Dort herrscht die Überzeugung, dass diese Vision von allen geteilt werden muss; sie wird entwickelt aus drei Fragen: Was macht dich glücklich? Was macht dich traurig? Wobei kann die Kirche dir helfen?
In Südafrika waren die Kundschafter begeistert von den verschiedenen Formen von Leitung – durch Ehrenamtliche. Sie werden ausgewählt, gut ausgebildet und für drei Jahre beauftragt. Durch dieses Vorgehen sind sie sehr motiviert und engagiert, sie lernen voneinander und miteinander, und so gelingt es, dass „der Funke überspringt“. Das Gebet – als freies Gebet und mit viel Gesang – hilft, den Glauben zu nähren.
England mit seiner Form „Fresh Expressions of Church“ (Neue Ausdrucksformen von Kirche) ist auf Wachstum ausgerichtet. Kirche ist missionarisch, geht zu den Menschen und will „dienende Kirche“ sein. Die England-Reisenden waren fasziniert von den Menschen, „die vor Begeisterung sprühen“ und haben erlebt, wie kirchliche Angebote unabhängig von Strukturen oder Immobilien entstehen und wachsen können.
Auch die KAB hatte eine Fahrt unternommen und in Manchester erfahren, wie sich Kirche dort für die Menschen in der Arbeitswelt engagiert. „Das ist gelebte Solidarität aus dem Geist des Evangeliums“, so ihre Zusammenfassung dessen, was sie gesehen haben.
Konkrete Umsetzung der Erfahrungen und rege Diskussion
Ganz konkret erlebten die Teilnehmenden des Pastoraltags, wie Bibel-teilen den Blick schärft auf das, worauf es ankommt, oder was ein nächster Schritt im Leben und Handeln sein kann. Sie tauschten sich aber auch an Stellwänden mit den Kundschaftern aus und stellten – zum Teil – sehr kritische Fragen. Die einzelnen Gruppen befassten sich mit Themen wie Gesellschaft, Gebet, Vision, kleine christliche Gemeinschaften oder auch „mixed economy“, einem Begriff aus England, wonach traditionelle und experimentelle Formen auch nebeneinander existieren dürfen.
Dabei wurde deutlich, dass es in anderen Ländern der Welt Formen und Strukturen von Kirche gibt, die anregend sein können; die Reisen haben vielfältige Impulse gebracht. Weihbischof Otto Georgens warnte jedoch davor, die Erfahrungen als „Blaupausen“ zu verwenden und sie wie Rezepte oder Modelle kopieren zu wollen. „Sie bringen zum Nachdenken, und unsere Bewusstsein hat sich verändert“, stellt er stellvertretend für alle Kundschafter fest.
Pfarreien oder Verbände können nach wie vor Kundschafter zu Vorträgen einladen und über die Erfahrungen berichten lassen. Koordiniert wird dies durch Domkapitular Franz Vogelgesang.
Text und Fotos: Brigitte Deiters