Dienstag, 29. November 2016
„Mensch muss auch in Arbeitswelt 4.0 im Mittelpunkt stehen“

Werksbesuch von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann (8. v. l.) in der Zweibrücker Niederlassung von John Deere
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann besuchte Werk von John Deere in Zweibrücken
Zweibrücken. Abstecher in die Welt der Wirtschaft sind für den Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann nichts Außergewöhnliches. Er nimmt sich gerne Zeit, um Menschen dort zu besuchen, wo sie einen Großteil ihres Alltags verbringen. So war er am 23. November bei John Deere in Zweibrücken zu Gast und hat dort sich im Werk von Deutschlands größtem Landtechnikhersteller umgesehen. Dabei galt sein Interesse neben den Fertigungsprozessen vor allem dem Austausch mit den Beschäftigten und dem Betriebsrat.
„Die Ernährung der Menschen trotz des stetigen Bevölkerungswachstums und des Klimawandels sicherzustellen, ist eine große Herausforderung, der wir mit intelligenten und individuellen Lösungen begegnen müssen“, sprach Werksleiter Linus Baumhauer ein zentrales Thema an. Als europäisches Kompetenzzentrum für selbstfahrende Erntemaschinen komme der Zweibrücker Niederlassung eine hohe Bedeutung zu. Sie ist eine von weltweit 65 Produktionsstätten und auf Mähdrescher und Feldhäcksler spezialisiert. Von deren Herstellung konnte sich der Bischof auf einem Rundgang durch die Produktionshallen ein Bild machen. Begleitet von Domkapitular Franz Vogelgesang, den Betriebsseelsorgern des Bistums Thomas Eschbach und Andreas Welte und Vertretern der örtlichen Kirchengemeinden führte der erste Weg in die Einzelteilfertigung. Dem Materialfluss entsprechend arbeiten Menschen und Maschinen Hand in Hand, schneiden, biegen und schweißen Blech. Jeder Schritt erfolge nach einem programmgesteuerten Ablauf und verlange penible Genauigkeit, Konzentration, teils auch körperliche Kraft, erklärte Peter Haaf, ein leitender Mitarbeiter der Produktion. „Die Mitarbeiter wechseln regelmäßig ihren Arbeitsplatz und damit auch das Werkzeug und den Maschinenpark“, beantwortete er die Frage des Bischofs nach einem Rotationssystem.
Dem reibungslosen Ablauf, der Qualitätssicherung und Sicherheit dienen tägliche Treffen, bei denen jeder Informationen, Fragen und Probleme bezüglich der einzelnen Produktionsbereiche melden kann. „Alles wird dokumentiert und je nach Dringlichkeit bearbeitet, behoben und gelöst“, so Haaf. Von dem Shopfloor Management zeigte sich Wiesemann beeindruckt. „Es ist eine kurze Informationskette und als Face-to-face-Kommunikation wertschätzend den Beschäftigten gegenüber.“ Mit diesen suchte er immer wieder das persönliche Gespräch, erkundigte sich nach ihren Aufgaben und Zielen.
Saisonbedingt läuft die Produktion von Mitte Oktober bis Mitte Juli. 1100 Mitarbeiter sorgen in teilweise drei Schichten dafür, dass die Aufträge erfüllt werden. 14 Mähdrescher können in neun Stunden gefertigt werden. Imposante Riesen, die aus 20 000 verschiedenen Teilen bestehen, bis zu 20 Tonnen wiegen und es auf 625 PS bringen, die Feldhäcksler sogar bis auf 850 PS.
In der Ausbildung spielt Teamarbeit eine zentrale Rolle
In der Ausbildungswerkstatt dagegen werden kleinere Brötchen gebacken. Für Neulinge im ersten Ausbildungsjahr – ganz gleich ob sie Mechatroniker, Konstruktions- oder Industriemechaniker werden wollen – gilt es erst einmal, sich anhand einer einheitlichen Aufgabe im Bohren, Sägen und Feilen zu üben. Das Ergebnis zweimonatiger Feinarbeit kann sich sehen lassen: ein Lkw im Miniformat, gefertigt aus schlichten Metallblöcken, was dem Bischof sichtlich Bewunderung abverlangte. Dass die Azubis nicht nur in handwerklichen Fähigkeiten geschult werden, sondern auch in Teambildung, fand ebenso seinen Beifall wie die individuelle Talentförderung.
„Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, sich am Arbeitsplatz wohlzufühlen und sich mit ihm zu identifizieren, sind wichtig“, erklärte Wiesemann. Dem kommt auch das Work-Life-Management des Unternehmens entgegen. „Jeder Mitarbeiter verfügt über ein Arbeitszeitkonto, auf dem seine Überstunden verbucht werden. Die kann er bis zu einem bestimmten Umfang während der produktionsarmen Zeit abbauen, alle darüber hinausgehenden sammeln sich auf dem Konto und können zum Beispiel für einen früheren Ruhestand in Anspruch genommen werden“, erläuterte der Betriebsratvorsitzende Kai Blasius. Außerdem versuche man, mit verschiedenen Arbeitsmodellen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht zu werden und einen guten Arbeits- und Gesundheitsschutz zu praktizieren.
Bei einem Blick auf die Industrie 4.0 wurde die enge Verzahnung von digitalen Systemen deutlich, die auf eine weitgehend selbstorganisierte Produktion abzielt. Ein Thema, das nicht ohne Schattenseiten auskommt und „schnell zu einer ethischen Diskussion führt, sollte der Mensch dann nur noch Überwacher der Technik und dadurch in seinem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt sein“, gab der Bischof zu bedenken und appellierte an den Betriebsrat, sich weiterhin in einem konstruktiven Miteinander dafür stark zu machen, dass der Mensch in der Mitte steht. Denn die Arbeitswelt sei ein großer Teil der Sinngebung. In diesem Zusammenhang gab es auch Lob für die beiden Betriebsseelsorger des Bistums. „Ihre Arbeit geht in den Kern der Menschheit und verbindet die Lebenswelten auch in der Pastorale.“
Die Bedeutung des Menschen als Grundkriterium griff der Bischof noch einmal in dem anschließenden Gottesdienst in der Zweibrücker Kirche St. Pirmin auf. „Die Menschen müssen aufpassen, dass sie nicht zur Ware und in Abhängigkeit zerrissen werden.“ Es gelte den Veränderungsprozessen der Zeit sowie der Demagogie nicht ängstlich, sondern mit wachem Geist zu begegnen.
Text / Foto: Friederike Jung