Dienstag, 27. Juni 2023

Innovation funktioniert nur gemeinsam

 

Workshop im Priester- und Pastoralseminar in Speyer

Speyer. „Wir stehen vor großen Herausforderungen. Und diese können nur gemeinsam angegangen werden.“ Wie das geschehen kann, darüber sprach Professor Dr. Michael Hölscher, Universität Speyer, beim Workshop „Innovationsprozess gemeinsam gestalten“ auf Einladung des Vereins „Der Zukunft Dialog Speyer“ (ZdS) im Priester- und Pastoralseminar. Zu den Mitgliedern des ZdS gehört der Fachbereich Seelsorge in der Arbeitswelt im Bischöflichen Ordinariat in Speyer. Ein praktisches Beispiel von Innovation hatte Stefan Claser, Betriebsratsmitglied der Firma Webasto Mechatronics, Wörth, im Gepäck.

„Wir befinden uns mitten im Transformationsprozess“, sagte Hölscher. Und zwar in vielerlei Hinsicht:  technologisch, ökologisch, politisch, rechtlich und gesellschaftlich. Neue Herausforderungen sah er in der Diskussionskultur, der Demokratie, dem Klimawandel, in der wachsenden Wissensgesellschaft, in den globalen Krisen. „Die Welt ist im Wandel und sie wird zunehmend komplexer.“

Neue Wege müssen gegangen werden. Doch wie gestaltet sich der Innovationsprozess? Hölscher zeigte die unterschiedlichen Stufen auf: Da ist die Invention, die auf Kreativität fußt und schließlich in die Implementation mündet: Menschen haben gute Ideen, die es praktisch umzusetzen gilt.

Inventionen wiederum können von „innen oder von außen“ kommen. Das heißt, sie werden von anderen übernommen und adaptiert. Oder aber sie sind „radikal neu“ beziehungsweise entwickeln sich schrittweise. Deutschland sei lange Zeit führend bei der letztgenannten Form der Invention gewesen, betonte Hölscher, „weil die Belegschaften einfach gut waren“.

Komplexe Innovationsprozesse, führte der Referent aus, könnten nur in Kooperation funktionieren. Er sprach - im besten Fall - von einer „Quadruple Helix“, einem interdisziplinärem Zusammenspiel von „Staat, akademischer Welt, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“.

Innovation wird nach Worten Hölschers oft nur technologisch verstanden. Dabei sei die soziale Innovation nicht zu vernachlässigen. Sie befriedige gesellschaftliche Bedürfnisse und verbessere die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit. „Wir müssen Beziehungen neu denken und mit neuen Technologien arbeiten, in Verwaltungen, in Organisationen, in Nichtregierungsorganisationen.“ Explizit hob er nochmals die öffentliche Verwaltung hervor mit ihren 5 Millionen Beschäftigten und einem Haushaltsvolumen von 1,5 Billionen Euro im Jahr. Der Nachwuchs dort müsse direkt auf „Innovation getrimmt werden, die Digitalisierung vorantreiben“, bekräftigte der Referent. In sogenannten Innovationslaboren, ein erstes sei 2016 in Arnsberg eröffnet worden, könnten neue Schritte ausprobiert werden.

Welche Früchte das gemeinsame Ziehen an einem Strang hervorbringen kann, stellte Stefan Claser dar. Er begann sein Berufsleben als Radio- und Fernsehtechniker-Lehrling bei Radio Becker. Nach der Übernahme durch die Firma Harman wurden in dem Betrieb in Scheidt weiter Radios und nun auch Navigationssysteme produziert. Doch die Nachfrage sank allmählich, der Standort in der Südpfalz sollte geschlossen werden.

Als Betriebsratsmitglied machte Claser den Kollegen klar, dass es nur mit der IG Metall im Rücken eine gute Lösung geben könne. Der Organisationsgrad habe gerade einmal bei 50 bis 60 Prozent gelegen. Nach dem Aufruf stieg er auf 90 Prozent. Und im Zusammenstehen konnte die Belegschaft ein Ziel erreichen: Wer wollte, erhielt eine Abfindung und für die anderen bot sich die Chance, einen eigenen Betrieb zu gründen. Mit Hilfe der Gewerkschaft, der TBS und mit Unterstützung von Ministerpräsident Kurt Beck gelang der Schritt. Das neue Unternehmen produzierte Satellitenschüsseln. Viele Kollegen hätten sich neues Wissen angeeignet, sich engagiert. „Doch leider war das Unterfangen nicht lange von Erfolg gekrönt.“ Schließlich übernahm Webasto den Betrieb. Aber auch dieses Unternehmen, das Schiebedächer und Standheizungen herstellte, musste bald Stellen abbauen.

Die neue Zeit forderte neue  Produkte: Wallboxen und Batteriesysteme für E-Autos. Moderne Prozessen seien eingeführt worden. „Das bedeutete, Neues lernen, sich weiterbilden. Nicht für alle ganz leicht“, berichtete Claser von Widerstand in der Belegschaft. Aber nur Veränderung sichere Arbeitsplätze.

Die Frage eines Zuhörers, wie Menschen zur Innovation zu motivieren seien, beantwortete Hölscher mit „Handlungsdruck“. Wenn keine Verbrennermotoren mehr gefragt sind, müssten sich die Unternehmen – Führung wie Belegschaft - auf E-Motoren umstellen. „Und das heißt eben dazulernen“. Als wichtigen Punkt erachtete Claser die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. „Nur gemeinsam können wir etwas Neues auf den Weg bringen.“ Verantwortlichkeiten übertragen, ein Wir-Gefühl aufbauen, gegenseitige Wertschätzung postulieren, Sicherheit vermitteln – so könnten innovative Prozesse gelingen.

Innovation, Transformation, Künstliche Intelligenz – Themen, die die Arbeitswelt beschäftigen. Auch der Fachbereich Arbeitswelt – Mitglied im ZdS – wird sich weiter darauf fokussieren. Der im Mai mit hohem Zuspruch ausgerichtete Online-Workshop zu KI wird nicht der letzte gewesen sein.

Foto: pixabay