Mittwoch, 17. August 2016

Entscheidung im Künstlerwettbewerb für Seminarkirche St. German

Chorraum für die Seminarkirche Sankt German 

Gestaltungskonzept von Bernhard Mathäss überzeugt Jury, Verwaltungsrat, Kunstbeirat und Bischof – Innenrenovierung der Seminarkirche beginnt voraussichtlich im Oktober

Speyer. Die Entscheidung im Künstlerwettbewerb für die Seminarkirche des Priesterseminars St. German in Speyer ist gefallen: Bernhard Mathäss, Künstler und Bildhauer aus Neustadt-Duttweiler, wird den Chorraum der Kirche neu gestalten. Sein Entwurf wurde aus insgesamt 82 Bewerbungen ausgewählt.

Die Aufgabenstellung war alles andere als einfach. Die in den 50er-Jahren erbaute Seminarkirche bringt als klassische Wegekirche das Liturgieverständnis vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil zum Ausdruck. „Alles läuft auf den Hochaltar mit dem Tabernakel zu. Der Weg dorthin führt in eine immer größere Weite und immer mehr zum Licht“, erklärt der Regens des Priesterseminars Markus Magin. Er sieht in der Kirche ein besonderes Beispiel für die Theologie und die Architektur dieser Zeit.

Zweites Vatikanisches Konzil soll in neuer Raumgestaltung Ausdruck erhalten

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil – es dauerte von 1962 bis 1965 – wandelten sich die Form der Messe und das Liturgieverständnis. „Der Altar als Zeichen für Christus rückt gleichsam in die Mitte des Raumes: In der Feier der Eucharistie versammelt sich die Gemeinde um den Altar“, erläutert Magin den grundlegenden Wandel im theologischen Denken und seine Konsequenzen für die bauliche Gestaltung. In der Kirche St. German hatte man dieser Entwicklung zunächst auf eher provisorische Weise Rechnung getragen: Seit den 70er-Jahren diente ein einfacher Holztisch als Hauptaltar. „Das entspricht weder den liturgischen Vorgaben, noch bildet der Altar mit den anderen Elementen der liturgischen Ausstattung - zum Beispiel Ambo und Priestersitz - eine erkennbare Einheit“, weist Markus Magin auf die Schwachpunkte der bisherigen Lösung hin.

Mit dem Raumkonzept von Bernhard Mathäss soll das Zweite Vatikanische Konzil auch in der Seminarkirche St. German Einzug halten. Indem er die sechseckige Grundform der Decke des Chorraums auf den Boden spiegelt, entsteht ein neues Zentrum. Der Altarraum ruht auf einem sechseckigen Steinboden, der von zwei Fugen in Form eines Kreuzes, dem Grundsymbol des Christentums, durchzogen wird. Im Schnittpunkt beider Linie der Altar, ebenfalls ganz aus Stein. Der Altarfuß steht gegenüber der Altarplatte an den Seiten etwas über – „Zeichen dafür, dass die Feier der Eucharistie über sich hinausweist und die Liebe Gottes uns immer dazu drängt, das Empfangene weiterzugeben“, so Magin.

Die stärkste Veränderung erfährt der Raum durch eine Stelenwand, die zwischen dem Altarraum und dem Hochaltar eingezogen wird. „Damit werden das Christus-Relief, der Hochaltar und der Tabernakel präsent gehalten, gleichzeitig bekommt der Raum jedoch eine neue Mitte“, ist Magin von der in seinen Augen geradezu „genialen Idee“ des Künstlers begeistert. Die Wand, besteht aus zwölf Steinstelen, nimmt die mehrfach im Raum anzutreffende Zahlensymbolik auf und kann als Hinweis auf die zwölf Apostel verstanden werden, die im letzten Buch der Bibel als Grundsteine des himmlischen Jerusalem bezeichnet werden. Sie verbindet - gleichsam als klassischer Altarsockel – den Altarraum mit der Darstellung des himmlischen Christus und der Engel der sieben Gemeinden auf der hinteren Wand.

Am Germansberg liegen die Wurzeln des Christentums in Speyer

Die Entscheidung für den Stein als Material lässt sich als Hinweis auf die geschichtliche Bedeutung des Ortes verstehen. „Hier am Germansberg treffen wir auf die ältesten Zeugnisse des Christentums in Speyer“, weist Magin darauf hin, dass der erste namentlich bekannte Bischof von Speyer, Bischof Jesse, in der Mitte des vierten Jahrhunderts wahrscheinlich hier gelebt habe. Für das Ende des vierten oder den Anfang des fünften Jahrhunderts sei bereits eine Steinkirche bezeugt. „An diesem Ort liegen die Fundamente des christlichen Glaubens in der Stadt Speyer“, veranschaulicht Magin, warum die Gestaltungselemente im Entwurf von Bernhard Mathäss fast so wirken, als würden sie als steinerne Zeugen der Vergangenheit aus dem Boden herauswachsen.

Der Ambo rückt näher zur Gemeinde, ebenso die aus dem 15. Jahrhundert stammende Marienfigur. Die Muttergottes, manchmal auch als „Schwester der Menschen“ bezeichnet, wird so stärker als Mittlerin zwischen den Menschen und Christus erfahrbar. Einen weiteren Akzent setzt das Kreuz, das aus Blickrichtung der Gemeinde vorne rechts angeordnet wird. Auffällig ist der verlängerte Querbalken, der mit dem ausgestreckten Arm des himmlischen Christus auf der hinteren Wand korrespondiert. „Auch hier wieder ein Symbol, das über sich hinausweist und deutlich macht, dass der Tod am Kreuz nur im Zusammenhang mit der Auferstehung zu begreifen ist“, so Magin.

Die Platzierung des ebenfalls aus Stein gearbeiteten Priestersitzes hinter dem Hauptaltar – auf beiden Seiten von Sitzelementen zum Beispiel für weitere Zelebranten und Ministranten flankiert – soll ebenfalls dazu beitragen, dass die Eucharistie als Feier und Geschehen inmitten der Gemeinde erlebbar wird. „Bernhard Mathäss gestaltet einen neuen Mittelpunkt in und mit dem Raum“, bringt Regens Markus Magin auf den Punkt, warum sich sowohl die Jury als auch der Verwaltungsrat des Priesterseminars, der Kunstbeirat des Bistums und Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann für das Konzept des 53-jährigen Künstlers aus Neustadt-Duttweiler entschieden haben. Dieser hat schon mehrfach in Kirchen gearbeitet, zum Beispiel bei der Gestaltung der Emmauskapelle in seiner Heimatstadt oder bei der Gedenkplatte für die Verdienste von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl in der Vorhalle des Domes.

Die Innenrenovierung der Seminarkirche beginnt voraussichtlich im Oktober. Als Termin für die Altarweihe und die Indienstnahme des umgebauten Priesterseminars ist der vierte Ostersonntag des nächsten Jahres angezielt, zugleich Weltgebetstag für die geistlichen Berufe. Die Kosten für die Außen- und Innenrenovierung der Seminarkirche sind auf etwa eine Million Euro berechnet. Davon entfallen etwa 100.000 Euro auf die Steinarbeiten bei der Neugestaltung des Chorraums.

Text: is