Montag, 07. Februar 2022
„Meine Erwartungen sind eigentlich alle erfüllt worden“
Radio-Interview mit Katharina Goldinger zur dritten Synodalversammlung
Speyer. Katharina Goldinger ist im Bistum Speyer die zuständige Ansprechpartnerin für den Synodalen Weg. Die dritte Synodalversammlung vom 3. bis 5. Februar 2022 hat die Pastoralreferentin, die aktuell im Schuldienst tätig ist, digital an ihrem Computer mitverfolgt. In einem RPR1-Radio-Interview, das hier im Wortlaut dokumentiert ist, schilderte sie ihre Eindrücke von der Versammlung in Frankfurt.
Wie ist ihr Gesamteindruck – inhaltlich als auch atmosphärisch?
„Ich hatte den Eindruck, dass die dritte Synodalversammlung sehr konstruktiv und sehr gut verlaufen ist. Das ist bei den Themen, die da verhandelt werden, ja nicht so ganz selbstverständlich. Das ist für die katholische Kirche, das muss man - glaube ich - immer dazu sagen, ein Riesending, diese Themen zu besprechen. In der Offenheit, in der das da gerade passiert. Gemessen an der Herausforderung war das eine sehr gute, sehr konstruktive Atmosphäre. Die Verfahrenswege sind jetzt gut eingeübt, da gab es keine Missverständnisse mehr. Gab es auch, aber die haben nicht über Hand genommen. Aber aus der Ferne betrachtet, ich hab ja am Livestream teilgenommen, war das wirklich ein guter Dialog, ein guter Austausch.“
Welche Erwarten von Ihnen sind erfüllt worden und welche Erwartungen wurden vielleicht sogar enttäuscht?
„Also meine Erwartungen an die Versammlung sind eigentlich alle erfüllt worden. Die sind aus meiner Sicht auch übertroffen worden. Ich hatte nicht darauf gesetzt, dass das so klar wird in den Abstimmungsergebnissen. Jetzt sind noch nicht so viele da, es ging ja erstmal um Grundlagentexte. Aber da wo abgestimmt wurde, da war das eigentlich immer sehr, sehr deutlich. Inklusive der Abstimmung der Bischöfe, deren Stimmen ja extra ausgezählt wurden und die eine eigene zweidrittel Mehrheit haben – auch das an Stellen, wo ich es ehrlich gesagt nicht zu hoffen gewagt hatte.“
Wo sind die Beratungen vorangekommen und wo „klemmt“ es nach wie vor?
„Ja vorangekommen sind die Beratungen eigentlich auf allen Ebenen. Das kann man so sagen, weil ja alle vier Themen des Synodalen Wegs jetzt einmal auf der Agenda standen. Auch heute, das ist immer so, bei jeder Synodalversammlung. Und man sieht schon, das es da in jedem einzelnen der Foren, in jedem einzelnen der Themenbereiche, eigentlich gute Fortschritte gibt, auch in den Diskussionsbeiträgen war das gut zu merken. Wo es nach wie vor klemmt, ja, das ist wahrscheinlich im Kontakt mit Rom. Was ich als schwierig empfunden habe, war die Botschaft des Nuntius, also des Vertreters des Vatikans, der auch zu Gast war, als Beobachter. Was er gesagt hat, da hatte ich den Eindruck, dass das schon noch ein ganz anderes Bild von Kirche ist, was da hereingetragen wurde, als das was die Versammlung aus sich heraus gerade am Wochenende geprägt hat.“
Was sind die strittigen Konflikte und welche Auswege und Lösungen könnte es dafür geben?
„Ein Konfliktpunkt ist oder war eigentliche die Verhältnisbestimmung von Lehramt zu Theologie, also von dem was gelehrt wird, an den Universitäten und dem, was aus Rom an dogmatischen Formulierungen vorliegt. Da gab es scharfe Diskussionen zum Teil drüber, wie das zu verstehen ist, in welchem Verhältnis das steht. Aber ich hatte den Eindruck, dass auch das gut gelöst ist. Denn der Text, der diese Verhältnisbestimmung vornimmt, der wurde auch mit großer Mehrheit verabschiedet. Ja, welche Lösungen es gibt: wahrscheinlich ist reden, reden, reden die einzige Lösung für all diese Fragen, die da jetzt auf dem Tisch liegen.“
Wo und bei welchen Themen steckt der Synodale Weg Ihrer Ansicht nach in einer Sackgasse?
„Also Sackgasse sehe ich gar nicht. Was ich sehe ist, dass die Schritte unterschiedlich schnell gegangen werden und das nicht immer ganz klar ist, was der nächste Schritt ist. Das führt auch immer mal wieder ein bisschen zu Verunsicherungen. Aber mich beeindruckt total die Beharrlichkeit, in der immer nach einer Lösung gesucht wird, um über die nächste Hürde wieder drüber zu kommen. Vielleicht nicht, um im Bild zu bleiben vom Weg, vielleicht nicht immer die nächsten Kilometer, die da gerannt werden, aber es sind schon kleine Schritte. Und es ist eigentlich immer klar: wenn schon einer getan ist, das dann der nächste kommt. Und das funktioniert ganz gut. Auch wenn das, und das gebe ich zu, aus der Außensicht teilweise kleine Schritte sind.“
Was hätten Sie sich persönlich noch gewünscht, oder wovon hätten Sie sich noch mehr gewünscht?
„Also ich hätte mir viel mehr verbindliche Entscheidungen gewünscht. Insbesondere in den Bereichen, wo schon ganz lange Kolleginnen und Kollegen warten, dass sich da etwas verändert. Wir hatten letzte Woche die #OutInChurch-Kampagne, den Film, der veröffentlicht wurde. Und das hat schon die Diskussion sehr vorangetrieben und bereichert. Weil klar wurde, das hinter dem, was wir sonst auf Papier quasi als Textvorlage diskutiert haben, dass dahinter Schicksale und Menschen stehen. Und das ließ sich jetzt ganz anders besprechen. Es hatte eine viel höhere Dringlichkeit, weil man Gesichter vor Augen hatte. Das zielte ja auf die Veränderung der Grundordnung, auf das was quasi im kirchlichen Arbeitsrecht festgelegt ist.
Im Moment ist das so: wenn jemand in einer homosexuellen Beziehung lebt und das eben auch durch eine eingetragene Lebenspartnerschaft zum Ausdruck bringt, dann ist das im Prinzip ein Kündigungsgrund. Ob das so gehandhabt wird im konkreten Fall oder im Einzelfall auch nicht, steht dann auf einem ganz anderen Blatt. Aber es ist natürlich eine Abhängigkeit da, bezüglich des Arbeitsverhältnisses, und die ist nicht gut. Über diese Grundordnung wurde lange diskutiert und das war sehr eindeutig, das die Synodalversammlung sich da ganz dringend Änderungen wünscht. Und ich hätte mir gewünscht, dass das viel schneller geht und das wir das viel verbindlicher und viel schneller jetzt auch hätten schon verabschieden können.“
#OutInChurch war ja in den vergangenen Tagen auch groß in der Presse. Wurden bei der Synodalversammlung auch schon konkrete Beschlüsse gefasst oder wurde nur darüber diskutiert?
„Also diskutiert wurde das sehr groß und sehr weit. Verbindliche Beschlüsse dazu gibt´s noch nicht. Das war jetzt die Diskussion der ersten Lesung. Es fehlt quasi noch die Endabstimmung und dazwischen liegt jetzt noch ganz viel Arbeit für das Forum, das diesen Textentwurf der jetzt vorlag, noch weiter behandelt. Was man sagen kann ist, dass es eine große Einigkeit gab. Darin das der eigentlich Stand so eigentlich nicht mehr tragbar ist und dass wir uns dringend Veränderungen wünschen, das wir uns da als Kirche in Deutschland eine Veränderung wünschen, als Synodalversammlung eine Veränderung wünschen. Und das was wir hier nicht lösen können, weil wir dafür dringend die Unterstützung aus Rom brauchen, und das wurde auch sehr deutlich angemahnt, dass wir das brauchen.“
Wie geht es jetzt weiter mit dem Synodalen Weg? Was sind die nächsten Schritte oder was müssen Ihrer Ansicht nach die nächsten Schritte sein?
„Ganz praktisch wird jetzt wieder in den Foren gearbeitet bis zum Herbst, bis zur nächsten Synodalversammlung. Das heißt: die Texte, die jetzt vorlagen, die werden konkretisiert. Da werden die Änderungswünsche miteingebaut. Da wird nochmal nachgeschärft. Und dann liegen die wieder vor. Das ist einfach so das Arbeitsprozedere. Was die nächsten Schritte sind, ist aber sicher auch: die Diskussionen, die immer zwischen den Synodalversammlungen stattfinden. Also alles das, was an Diskussionspotential im Raum steht, was jetzt zwischen den Bischöfen, zwischen den Mitgliedern der Synodalversammlung, in den Laiengremien, was da jetzt weiter diskutiert wird. Und ich gehe eigentlich davon aus, dass diese Synodalversammlung jetzt ganz schön viel Wind unter die Segel gepustet hat und das es da entsprechend auch in großen Schritten vorwärts geht.“
Der Münchener Kardinal Reinhard Marx hat sich ja vergangene Woche für die Abschaffung des Pflichtzölibats ausgesprochen. War das auch ein Thema bei der Synodalversammlung?
„Es war im Laufe der Synodalversammlung ein Thema. Es wurde auch breit diskutiert. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Zölibat eine total wertvolle Lebensform ist. Ich finde das wichtig, ich möchte den Zölibat gar nicht abschaffen. Ich möchte aber sehr gerne, und ich glaube, da gehe ich überein mit vielen, die auch in der Synodalversammlung dazu das Wort ergriffen haben, dass das eben freigestellt ist. Also dass es möglich sein kann, als Priester zölibatär zu leben, aber eben auch möglich sein kann, nicht zölibatär zu leben – trotzdem Priester zu sein. Ich glaube das unserer Kirche das gut täte. Das es auch Priester gibt, die Familie haben. Das es auch Priester gibt, die Kinder haben, die Papas sind, die Ehemann sind. Und genau so auch, das es Frauen gibt, die Priesterinnen sind.“
Wenn Sie beim lieben Gott, oder bei einer guten Fee, einen Wunsch frei hätten – für den Synodalen Weg: was würden Sie sich wünschen?
„Also erstmal wünsche ich mir: dass wir nie mehr vergessen als Kirche, wie anfällig wir sind und wie viel Schuld wir da mit uns rumtragen und dass wir Menschen unglaubliches Leid zugefügt haben. Der ausschlaggebende Grund für den Synodalen Weg ist ja der Grund, Missbrauch in der Kirche aufzuarbeiten. Der Grund, dass wir den Synodalen Weg gehen, liegt in der MHG-Studie. Und das die uns vor Augen geführt hat, dass wir als Kirche, ja, dass wir da versagt haben. Oder dass wir zumindest völlig anders uns intern aufgestellt haben, als wir selber glaubten zu sein. Oder für etwas zu stehen. Und wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dass das nie wieder passiert. Wir können nicht hundertprozentig verhindern, dass Menschen Schaden in einer Institution erfahren. Aber wir müssen alles dafür tun, das so einzudämmen, dass das auf keinen Fall mehr prägend sein kann. Also dass das unseren Stil, unser Miteinander, unsere ganze kircheninterne Kultur mitprägt. Das wünsche ich mir sehr.
Ansonsten wünsche ich mir in allen Bereichen, die da jetzt aufgemacht wurden, von den Frauen und den Ämtern über die Machtfrage, die eine total wichtige und große ist, über die Sexualmoral und auch über die Frage des Priestertums, dass wir gute Diskussionen haben und dass wir die möglichst große Weitung haben in diesen Fragen, die es geben kann. Ich glaube nicht mehr, dass das heiße Eisen sind. Ich glaub, dass das eigentlich längst durch ist, und dass wir da der Zeit hinterher hinken, und dass wir da dringend an Veränderungen arbeiten müssen.“
Was möchten Sie noch von sich aus anfügen, zur dritten Synodalversammlung. Was ist Ihnen wichtig, noch zu erwähnen?
„Was ich noch sagen kann ist, dass Synodalität oder das der Synodale Weg - glaube ich - falsch verstanden wird, wenn man ihn beschränkt auf die Synodalversammlung. Dieses Wort ist ja so ein bisschen fremd: Synodalität. Aber es geht darum, dass man gemeinsam miteinander entscheidet, wie wir eigentlich Kirche sein wollen. Dieses „gemeinsam und miteinander“ das fand ich prägend auch an diesem Wochenende. Und ich würde mir sehr wünschen, dass das wirklich in Kirche überall ankommt. Dass das eine gute Sache ist. Wir haben manchmal so die Tendenz einer großen Skepsis gegenüber demokratischen Entscheidungswegen und gegenüber Abstimmungen und Mehrheiten und so. Aber es hat sich doch gezeigt, dass das ein guter, weil ein sehr gut organisierter Verfahrensweg ist, um Miteinander in einem Gespräch zu bleiben und auch eine Entscheidung herbei zu führen. Und wenn wir das auf mehr als nur der Ebene Synodalversammlung, also wenn wir das auf all unseren Ebenen umsetzen würden, dann wäre - glaube ich - schon sehr, sehr viel gewonnen.“
Die Fragen stellte Parviz Khosrawi.
Foto: Parviz Khosrawi
