Montag, 26. Februar 2018

Armen Menschen eine Stimme geben

Schwester Dorothy und Weihbischof Georgens. 

Misereor-Gast Sr. Dorothy Fernandes berichtet über ihr Engagement in Indien

Deidesheim. „Heute schon die Welt verändert?“ heißt das Leitwort der Fastenaktion des katholischen Hilfswerkes Misereor, die in diesem Jahr gemeinsam mit der Kirche in Indien gestaltet wird. Aus diesem Anlass besuchte Schwester Dorothy Gabriel Fernandes, die sich in der indischen Millionenstadt Patna im Nordosten des Landes für die Rechte von Arbeitern, Frauen und Obdachlosen in den Slums einsetzt, das Bistum Speyer. Sie ist Projektpartnerin von Misereor, das sie mit weiteren Gästen aus Indien in der Fastenzeit nach Deutschland eingeladen hat. Bei einem Pressegespräch im Caritas-Altenzentrum Stiftung Bürgerhospital in Deidesheim berichtete die 64-Jährige über die Arbeit der von ihr gegründeten Organisation Jan Kalyan Gramin Vikas Samiti (deutsch: Vereinigung für Wohlfahrt und ländliche Entwicklung) JKGVS. Aufmerksame Zuhörer waren neben Weihbischof Otto Georgens auch die im Caritaszentrum tätigen sechs indischen Schwestern, Kaplan P. Naigin Joseph, Kooperator in der Pfarrei Hl. Michael Deidesheim und Einrichtungsleiterin Verena Renner.

Berufung zum Einsatz für die Armen
Schwester Dorothy arbeitete zunächst als Lehrerin für ihren Orden „Sisters of the Presentation of the blessed Virgin Mary“, der seine Wurzeln in Irland hat. „Ich war mit meinen Schülerinnen und Schülern oft in den Armenvierteln von Patna unterwegs, um ihnen zu zeigen, wie die Menschen dort leben. Und das hat auch mich verändert. Eine innere Stimme forderte mich dazu auf, raus aus dem Kloster zu den Menschen in den Slums zu gehen“, erzählt sie. „Diese Menschen arbeiten als Bauarbeiter, Straßenhändler oder Müllsammler und tragen zu rund 30 Prozent zum wirtschaftlichen Überleben der Stadt bei, aber keiner will sie dort haben, sie werden an den Rand, in die Obdachlosigkeit gedrängt.“ So gründete sie 1999 ihre Organisation, um den Menschen am Rand der Gesellschaft eine Stimme zu geben, sie darin zu bestärken, selbst für ihre Rechte zu kämpfen und ihnen außerdem durch Bildungsangebote einen Weg zu eröffnen, ihre Existenz zu sichern. „Ich glaube daran, dass eine andere Welt möglich ist und es braucht Menschen, um die Welt zu verändern“, so die Überzeugung der Ordensfrau.

Bildung als Schlüssel
In sechs Lernzentren, die Schwester Dorothy und ihr zehnköpfiges hauptamtliches Team betreiben, werden rund 200 Kinder jeweils ein Jahr lang unterrichtet und so auf den anschließenden Schulbesuch in staatlichen Schulen vorbereitet. Ein zweiter Bereich ist die Ausbildung von Frauen zu Näherinnen. Schon von Beginn an sparen die Frauen regelmäßig für eine eigene Nähmaschine, den Rest finanziert dann die Organisation JKGVS. „So können sich die Frauen anschließend ihre eigenen kleinen Geschäfte aufbauen. Das macht sie nicht nur selbstbewusst und stolz, sondern sie sind auch sensibler dafür, wie wichtig Bildung ist und schicken ihre Kinder zur Schule“, so die Ordensfrau. Ihr Team, zu dem noch etwa 20 Halbtagskräfte und eine Reihe von ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützern gehören, ist multireligiös. Hindus, Moslems und Christen arbeiten zusammen. „Wir sind für alle Menschen da, die am Rand leben, egal welche Religion und welche Kaste“, betont Schwester Dorothy. 

Lobbyarbeit für Menschen am Rande
Ganz wichtig ist ihr auch die politische Lobbyarbeit für diese Menschen sowie deren Aufklärung über ihre Rechte. „Unter dem Slogan ‚Dieses Land ist unser Land’ setzen wir uns zum Beispiel dafür ein, dass ein von der Regierung versprochenes Wohnungsprogramm endlich umgesetzt wird. Wir haben den Staat Bihar verklagt, damit endlich gebaut wird. Die dafür nötigen Grundstücke muss der Staat kaufen, sodass die Menschen dort dann nicht mehr vertrieben werden können“, berichtet sie. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz für Straßenhändler, die rechtswidrig vertrieben wurden. „Wir haben mit 10 000 Straßenhändlern in einem sechs Kilometer langen Marsch protestiert und so Polizei und Regierung dazu gezwungen anzuerkennen, dass schon seit 2014 ein Gesetz gilt, dass Straßenhändler nicht vertrieben werden dürfen.“ Es habe sich herumgesprochen, dass die Händler jetzt organisiert seien. „So sind die Betroffenen nicht mehr schutzlos und sie selbst haben jetzt auch den Mut aufzustehen und sich gegen Unrecht zu wehren.“ 

Weihbischof Georgens zeigte sich beeindruckt von dem Engagement der Ordensfrau: „Sie haben Ihre Berufung gefunden!“ Dass die Misereor Fastenaktion in diesem Jahr gemeinsam mit der Kirche in Indien begangen werde, sei ein gutes Zeichen und zeige „wir sind Weltkirche und können voneinander lernen.“

Weitere Informationen zu Misereor und der diesjährigen Fastenaktion: www.misereor.de

Text/Foto: is