Mittwoch, 12. April 2023
Plädoyer für Kindergrundsicherung
Speyer. Im „reichen Deutschland“ – so heißt es oft – ist jedes fünfte Kind von Armut bedroht. Die Regierung will voraussichtlich ab 2025 mit der Kindergrundsicherung die Familien stärker und besser unterstützen. Die Leistung löst das bisherige Kindergeld ab und soll unbürokratischer und einfacher zu beziehen sein, wie Familienministerin Lisa Paus darlegt.
Derzeit – seit Januar - erhalten Familien für jedes Kind 250 Euro im Monat. Hinzu kommen ein Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien sowie ein bestimmter Betrag aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für den Besuch der Musikschule oder die Mitgliedschaft im Sportverein.
Diese Einzelunterstützungen, Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag, die separat und damit aufwändig zu beantragen sind, werden künftig entfallen. Sie sollen in der Kindergrundsicherung zusammengeführt werden.
Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums setzt sich die Kindergrundsicherung aus einem Grundbetrag und einem Zusatzbetrag zusammen. Der Grundbetrag ist fix und wird nicht mit anderen Leistungen wie beispielsweise dem Bürgergeld verrechnet. Die Höhe des Zusatzbeitrags hängt hingegen vom Einkommen der Familie ab, kann bei wohlhabenden komplett entfallen. (Die Einkommensgrenze steht derzeit noch nicht fest). Ausgezahlt werden eine Pauschale für Bildung und Teilhabe sowie eine Kinderwohnkostenpauschale.
Die Kindergrundsicherung soll – wie das bisherige Kindergeld – von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr bezahlt werden. Auszubildende erhalten sie bis zum 25., Studierende bis zum 27. Lebensjahr.
Familienministerin Paus beziffert die Kosten für die Kindergrundsicherung mit 12 Milliarden Euro. Ein Betrag, den Bundesfinanzminister Christian Lindner als zu hoch erachtet; der klamme Bundeshaushalt gebe ihn nicht her. Der Streit dauert noch an.
Auch wenn die veranschlagte Summe nicht gering sei, springt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Familienministerin zur Seite. Er sieht den Betrag als „für Gesellschaft und Wirtschaft hervorragend investiertes Geld“. Fratzscher weiter: Es würde das Armutsrisiko senken, mehr soziale Teilhabe ermöglichen, bessere Chancen für einen Schul- und Bildungsabschluss eröffnen und den Weg in ein späteres Arbeits- und Erwerbsleben ebnen. Staat und Gesellschaft würden langfristig mit einer gut gemachten und auskömmlichen Kindergrundsicherung Geld einsparen, wenn Menschen durch Chancen mehr Eigenverantwortung für ihr Leben übernehmen und weniger soziale Leistungen in Anspruch nehmen müssen.“
Gleichzeitig appelliert der Ökonom an die Politik, die Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur zu verbessern. Auch gezielte Qualifizierung, höhere Löhne und weniger prekäre Beschäftigungsverhältnisse könnten seines Erachtens dazu beitragen, die Armut in Deutschland zu reduzieren.
Wir, das Team vom Fachbereich Arbeitswelt, Andreas Welte und Regina Wilhelm, schließen uns den Forderungen des Wirtschaftswissenschaftlers unumwunden an. Unser „reiches“ Land muss doch in der Lage sein, Familien mit Kindern – die unser aller Zukunft sind – ausreichend zu unterstützen, ihnen Teilhabe und eine gute Bildung zu ermöglichen.
Foto: Pixabay
