Mittwoch, 27. November 2024
Landwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen
MdB Isabel Mackensen-Geis spricht bei Kurpfälzer Sozialtagen
Speyer. „Die Landwirtschaft ist im Umbruch.“ Welche Faktoren diesen ausmachen und wie die Landwirte auch in Zukunft von ihrer Arbeit leben können, darauf ging die Bundestagsabgeordnete Isabel Mackensen-Geis (SPD) in ihrem Vortrag „Arbeit im Wandel – zwischen Tradition und Moderne“ ein. Dazu hatte der Fachbereich Arbeitswelt im Bistum Speyer im Rahmen der Kurpfälzer Sozialtage ins Priesterseminar Speyer eingeladen hatte.
Nach Worten von Mackensen-Geis steht die Landwirtschaft vor enormen Veränderungen. Als Ursachen nannte sie den internationalen Wettbewerb, die steigenden gesellschaftlichen Ansprüche, die Biodiversitätskrise, Marktmacht und Digitalisierung. Wie kann die Landwirtschaft dennoch zukunftsfähig bleiben und gute Arbeitsbedingungen gewährleisten?
Anhand von Daten verdeutlichte die Rednerin die derzeitige Lage: Wurden 2000 noch 458.400 Betriebe in Deutschland gezählt, sind es 2023 lediglich 255.010, was einem Rückgang von 44 Prozent entspricht. Gleichzeitig sind die Betriebe größer geworden. Als Gründe führte die Referentin „Spezialisierung und Industrialisierung“ an. Treiber seien der technologische Fortschritt und der wirtschaftliche Druck. Vor diesem Hintergrund hätten Betriebe mit einer Größe von 20 Hektar oder weniger kaum Überlebenschancen.
Durch moderne Maschinen, durch bessere Dünge- und Pflanzenschutztechniken hat sich die Arbeit in den letzten 60 Jahren stark verändert. Ernährte ein Landwirt 1960 nur 17 Menschen, sind es heute 139. Das bleibe nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeitskräfte, bekräftigte die Abgeordnete. Deren Zahl sei in den letzten 30 Jahren um etwa die Hälfte auf nun 876.000 geschrumpft. Davon machen den Großteil mit 45 Prozent Familienmitglieder aus; 28 Prozent sind Saison-, 27 Prozent ständige Arbeitskräfte.
Als nicht optimal beschrieb Mackensen-Geis die Arbeitsbedingungen. Bei Familienarbeitskräften sprach sie von permanentem Einsatz bis zur „Selbstausbeutung“; bei den ständigen Arbeitskräften von geringem Lohn, Arbeitszeiten am Wochenende oder Stress wegen zu weniger Kräfte; bei den Saisonkräften von schwerer Arbeit, Verstößen gegen Arbeitszeitgesetze, unzureichender Unterkunft und fehlender Krankenversicherung. Diese Faktoren, betonte sie, müssten dringend in die politischen Debatten einfließen.
Dass der Mindestlohn ab nächstem Jahr auf 12,82 Euro steigt, begrüßte die Abgeordnete. Gleichzeitig wusste sie um die „Herausforderung“, da sich gestiegene Lohnkosten nicht durch höhere Preise kompensieren lassen.
Die junge Generation will die Gegebenheiten nicht länger hinnehmen. Sie macht ihren Anspruch auf Feierabend und Wochenende geltend, fordert bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und günstigere Arbeitsbedingungen, wie Mackensen-Geis darlegte. Obendrein beklagten Landwirtinnen die mangelnde Anerkennung und Gleichberechtigung, obwohl ihnen eine Schlüsselrolle bei der Transformation und Innovation zugeschrieben wird. Förderprogramme und Zugang zu Gründungs- und Investitionskapital könnten Abhilfe schaffen.
Eine Lanze brach die Referentin für die Digitalisierung. Mit ihrer Hilfe ließen sich monotone Routinearbeiten eliminieren, Arbeiten aufwerten, Unfälle reduzieren. Als Beispiele nannte sie Drohnen und Farmroboter. Dass die Ausgaben dafür enorm seien, verhehlte sie nicht.
Die Aufgaben der Politik ließ die Abgeordnete nicht außen vor: sie muss Bedingungen für eine nachhaltige Landwirtschaft schaffen, unfaire Handelspraktiken unterbinden und Planungssicherheit für Investitionen und Hofübergabe gewährleisten, dringend in Bildung investieren.
In der anschließenden Diskussionsrunde monierte ein Zuhörer die hohen Preise für Diesel, „wir zahlen fünfmal so viel wie die Kollegen in Frankreich“. Und ab Januar werde der Sprit nochmals teurer. Auch die „Diskriminierung von Nicht-Biohöfen“ beanstandete er. Die Agrardieselsubvention, gab ihm Mackensen-Geis recht, „war eine nicht wirklich gute Entscheidung“. Vehement wehrte sich gegen die zweite Behauptung: „Es wird niemand benachteiligt.“ Sie betonte indes, dass dem Klimawandel nur über intensivieren Ökoanbau zu begegnen sei.
Ein Mitglied der Gewerkschaft bedauerte das massive Bauernsterben, an dem seines Erachtens die Großkonzerne mit schuld sind. Politik und Verbraucher sollten dem entgegenwirken, forderte er. Gegen den Import von oft günstigeren Tomaten, Spargel oder Früchten gebe es keine Handhabe, „das entspricht dem Gesetz des freien globalen Marktes“, sagte Mackensen-Geis. Die viel zu hohen Steuern und die „wahnsinnige“ Bürokratie kritisierte ein anderer. Einige Regelungen seien bereits zurückgenommen, erwiderte die Abgeordnete und verwies auf staatliche Datenbanken, die tatsächlich schneller in Betrieb gehen sollten.
Der Wandel in der Landwirtschaft, ein Spiegel der Gesellschaft, bilanzierte Isabel Mackensen-Geis, müsse solidarisch gestaltet werden. Dann habe der Wirtschaftszweig eine gute Zukunft.
Text/Foto: Fachbereich Arbeitswelt im Bistum Speyer