Mittwoch, 14. November 2018
Bischöflicher Betriebsbesuch bei PFW
Bischof Wiesemann auf Betriebsbesuch bei der PFW Aerospace GmbH – Ein Pfälzer Traditionsunternehmen stellt sich der Globalisierung
Speyer. Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann besuchte kürzlich die PFW Aerospace GmbH in Speyer. Hier verschaffte er sich einen Eindruck von den sozialen und wirtschaftlichen Themen des Unternehmens. PFW kann auf eine mehr als hundertjährige Geschichte im Bereich der Flugzeugtechnik zurückblicken. Nachdem 2011 die Insolvenz drohte, übernahm Hauptkunde Airbus die Aktienmehrheit über seinen wichtigen Zulieferer. Als Weltmarktführer für Rohrleitungssysteme ist PFW unter anderem auf die anspruchsvolle Verarbeitung von Titan spezialisiert. Mit 1800 Mitarbeitenden, davon 200 Auszubildende, blickt das Pfälzer Traditionsunternehmen selbstbewusst in die Zukunft, auch wenn ein erneuter Eigentümerwechsel bevorsteht. Voraussichtlich bis Ende des Jahres wird Airbus seine Anteile wieder verkaufen.
Im Spannungsfeld aus globalen Investoren, Politik und Lobbyismus gelte es sich dabei konstant Gehör zu verschaffen, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Andreas Gaa. Auch wenn manche Entwicklung nur passiv beobachtet werden könne: Es gelte die Geschlossenheit der Belegschaft zu demonstrieren und die Geschäftsführung für möglichen Unmut zu sensibilisieren. Dieser sei bei einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von über 90 Prozent gut artikulierbar. „Durch das innerbetriebliche System aus Vertrauensleuten ist eine schnelle Mobilisierung gewährleistet“, so Gaa. Der Verkauf stehe an, das sei nichts Neues und könne Chancen bieten. „Viele von uns sind seit Jahrzehnten dabei. Das ist unser Betrieb, unsere Mannschaft – wir müssen sehen, dass es läuft.“
Fairer Umgang miteinander bei Arbeitszeit, Behinderung und Leiharbeit
Der Betriebsratsvorsitzende Werner Rieder stellte mit seinem Team die zahlreichen Fortschritte vor, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei PFW in den letzten Jahren erzielt wurden. So gibt es ein flexibles Arbeitszeitmodell, das einerseits Rücksicht auf private Interessen nimmt, aber andererseits in Zeiten mit weniger Produktionsbedarf für einen Ausgleich sorgt. Sowohl Sabbatjahr, als auch ein früherer Eintritt in den Ruhestand seien mit dem Arbeitszeitkonto möglich. Sollte hingegen beispielsweise Pflegezeit für Angehörige notwendig werden, so gebe es in Rücksprache mit dem Vorgesetzten auch die Möglichkeit, die Stundenzahl entsprechend anzupassen.
Die Vereinbarkeit von Lebenswelt und Arbeitswelt gewinnt immer mehr Bedeutung, der Betriebsrat hat dazu einen eigenen Arbeitsausschuss „Mensch-Leben-Arbeit“ gebildet. Betriebsrätin Sabine Meyer gehört diesem Ausschuss an und ist Stellvertreterin für Schwerbehindertenvertretung bei PFW, sie berichtete: „Der Betriebsrat hilft bei der Vermittlung zwischen den 80 Schwerbehinderten und ihren Vorgesetzten“. „Wie mit einer Erkrankung umgehen?“ und weitere Fragen zu klären, aber auch für materielle Arbeitsplatzverbesserungen beispielweise in Sachen Ergonomie einzutreten, sind Beispiele hierfür.
Bei der Leiharbeit gehe es hingegen um einen fairen Umgang miteinander. In der Vergangenheit wurde die Leiharbeit zur Personalbeschaffung eingesetzt, viele wurden von PFW übernommen. Aktuell sei die Personalobergrenze erreicht und so gelte es dies auch klar zu vermitteln, damit keine falschen Hoffnungen entstehen. Die Gedankenwelt der Leiharbeiter sei durch die Übernahmen der Vergangenheit gut bekannt, entsprechend werde auf deren Sorgen und Nöte eingegangen. Unabhängig davon wird im täglichen Miteinander darauf geachtet, dass kein Unterschied aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gemacht wird – das sei leider bei einigen anderen Betrieben nicht so.
„Wir brauchen mehr Austausch“
PFW-Geschäftsführer Jordi Boto nahm bei der Begrüßung von Bischof Wiesemann auf die gemeinsamen Werte Bezug, die unter Druck seien: „Das Zugehörigkeitsgefühl zu Unternehmen geht verloren, junge Arbeitnehmer sind wechselfreudig.“ Das schwindende Gemeinschaftsgefühl sei auch der Kirche nicht unbekannt, wenn man die sinkenden Zahlen der Gläubigen betrachte. Auch die rasant fortschreitende technische Entwicklung bringe soziale Probleme mit sich, so würden über Jahre perfektionierte Fähigkeiten plötzlich obsolet. „Daher ist ein intensiver gegenseitiger Austausch wichtig, wir brauchen mehr davon“, so Boto.
„Ohne eigene Ausbildung geht nichts“
Ausbildungsleiter Bernd Dreyer erklärte, aus welchen drei Gruppen sich die 200 Auszubildenden zusammensetzen. „Fluggerätmechaniker sind auf dem Markt Mangelware, ohne eigene Ausbildung geht nichts“. Die erste Gruppe bilden die regulären Auszubildenden, die zweite Gruppe Menschen aus prekären Verhältnissen. „Wer aus einem schwierigen Umfeld kommt, hat es nicht leicht. Doch blicken Sie einem Menschen ins Gesicht, der bei uns seine Ausbildung beendet: das neue Selbstbewusstsein ist sichtbar!“ Die dritte Gruppe der Auszubildenden besteht aus Soldaten der Bundeswehr. Angehende Spezialisten der Luftwaffe, des Heeres und der Marine lernen bei PFW das Know-how, das später bei der Instandhaltung an Flugzeug und Hubschrauber angewendet wird.
Neben dem hierarchieübergreifend wertschätzenden Umgang miteinander, betont Dreyer ebenfalls die fachliche Fitness aller Ausgebildeten. So besetzten bei bundesweiten Wettbewerben regelmäßig die Fluggerätmechaniker aus Speyer Spitzenplätze und zwar aus allen drei Gruppen. PFW bildet neben Fluggerätmechanikern auch Industriekaufleute, Ingenieure und Betriebswirte aus. Bei den Bildungswegen mit Studienanteil liegt der Anteil der Frauen bereits bei 50 Prozent, durch viele Einstellungen in den letzten Jahren herrscht ein für die Branche niedriger Altersdurchschnitt vor.
Bischof tauscht sich mit Auszubildenden aus
Beim Besuch in der Ausbildungswerkstatt konnte sich Bischof Wiesemann persönlich von den Fähigkeiten der Auszubildenden einen Eindruck verschaffen. An verschiedenen Stationen lernte er mehr über die Metallbearbeitung, Werkzeugmaschinen und 3D-Druck. Im Selbstversuch bearbeitete er Werkstücke mit Zange und Hammer, auch wenn er später lachend zugab: „Ich bekam als Aufgabe, eine Niete einzuschlagen – es hat sich dann gezeigt, dass ich die Niete bin.“ Er zeigte sich beeindruckt über die handwerklichen Fähigkeiten der Auszubildenden und auch den Stolz, mit dem sie von ihrer Arbeit berichteten. „Jungen Menschen über den Beruf zu einem selbstbestimmten Leben zu verhelfen und Familiengründungen zu ermöglichen, trägt zu einem guten Sozialgefüge bei“, so Wiesemann. Die engagierte Arbeit der Betriebsräte leiste ebenfalls einen starken Beitrag dazu, dem Auseinanderdriften der Gesellschaft entgegenzusteuern. Er dankte der PFW Aerospace GmbH ausdrücklich für die Gastfreundschaft und die Möglichkeit zum Betriebsbesuch.
Text/Foto: is