Dienstag, 04. September 2018
„Der Antisemitismus hat viele Gesichter“
Arbeitsgruppe Christentum–Judentum des Bistums Speyer im Gespräch mit dem Antisemitismusbeauftragten für Rheinland-Pfalz
Speyer. „Für Sicherheit sorgen, jüdisches Leben fördern und Präventions- und Bildungsmaßnahmen anbieten.“ Darin sieht Dieter Burgard, seit Mai 2018 Beauftragter für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen für Rheinland-Pfalz, seine wichtigsten Aufgaben. Bei einem Erfahrungsaustausch mit der Arbeitsgruppe Christentum-Judentum des Bistums Speyer betonte er mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Chemnitz: „Angesichts des Erstarkens rechter Strömungen ist es notwendig, entschieden jeder Form von Judenhass entgegenzutreten.“ Beide Seiten stimmten darin überein, dass die Kirchen mit ihrem Engagement in interreligiösen Foren vor Ort, in der Gedenk- und Bildungsarbeit und im Religionsunterricht wesentlich dazu beitragen, dass Juden in Deutschland heute ihren Glauben ungehindert leben können.
Burgard berichtete, dass im Jahr 2017 von ca. 1500 antisemitischen Straftaten in ganz Deutschland nur 22 in Rheinland-Pfalz verübt worden seien. Aber das bedeute nicht, dass das Land eine „Insel der Seligen“ sei. „Körperliche Übergriffe, Friedhofsschändungen und Schmierereien an jüdischen Gebäuden gibt es auch in unserer Region“, so Burgard. Für antisemitische Straftaten seien, wie Statistiken belegen, zu 90% Neonazis verantwortlich. Vor allem zeigte sich der frühere Bürgerbeauftragte betroffen, „wie Nazi-Sprache in Liedern von Rechtsrock-Gruppen verwendet wird und wie wenig Gespür und Wissen bei Jugendlichen vorhanden ist“. Für Burgard hat der Antisemitismus „viele Gesichter“. Oft zeige er sich versteckt: „in Form von Verschwörungstheorien oder wenn im Blick auf die NS-Zeit zwischen Deutschen und Juden unterschieden werde und man damit so tut, als seien die jüdischen Mitbürger vor 80 Jahren keine Deutschen gewesen“. Es gebe aber auch offen gezeigten Judenhass, etwa wenn in Fußballstadien Plakate mit antisemitischen Parolen zu sehen sind.
Als Beauftragter für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen sehe er seine erste Aufgabe darin, für die Sicherheit aller Menschen jüdischen Glaubens zu sorgen. Daneben liege ihm der Kontakt zu den jüdischen Gemeinden und die „Förderung jüdischen Lebens“ in Rheinland-Pfalz am Herzen. Immer wieder werde ihm von Juden gesagt: „Wir wollen nicht nur als Opfer der Shoa dargestellt werden, sondern so, wie wir heute leben.“ Es gelte deshalb, „das Gedenken an die ermordeten Juden der NS-Zeit mit dem Heute zu verbinden“. Ein weiterer Arbeitsbereich sei die Präventions- und Bildungsarbeit. Bausteine dafür seien Vorlesetage mit Kindern, Veranstaltungen mit Jugendlichen über antisemitisches Gedankengut bei rechtsextremen Bands und das Aufstellen von Informationstafeln an jüdischen Gedenkstätten. Burgard erinnerte auch an die Mitverantwortung der Kirchen für die Judenverfolgung in der Vergangenheit, als man die Juden als „Gottesmörder“ ansah. Zugleich betonte er, heute seien die Kirchen „wichtige Partner beim Kampf gegen jede Form von Antisemitismus in der Gesellschaft“, wofür Burgard den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Christentum–Judentum am Ende der Begegnung ausdrücklich dankte.
Text: Bistum Speyer / Bild: Bernhard Gerlach