Dienstag, 04. September 2018
„Eine so reiche Gesellschaft muss in die Altenhilfe investieren“

Der Leiter des Caritas-Altenzentrums Paul Lösch (3.v.l.) und das Mitglied des Bun-destages Markus Tressel (3.v.r.) sind sich einig, dass der Beruf der AltenpflegerIn-nen eine gesellschaftliche Aufwertung braucht.
Bundestagsmitglied Markus Tressel besucht das Caritas-Altenzentrum St. Barbara – „Es fehlen Geld und Personal“
Im Caritas-Altenzentrum St. Barbara in St. Ingbert diskutierte Bundestagsmitglied Markus Tressel in der letzten Augustwoche über die brisante Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich und die Situation der stationären Altenhilfe. Sie ist immer wieder im Gespräch: Die derzeitige Situation der stationären Altenhilfe und der Fachkräftemangel. Von fehlender Fachkompetenz ist oft die Rede. Auch das Altenzentrum St. Barbara hat mit diesen Problemen zu kämpfen.
Aber was kann man dagegen tun? Als Einrichtungsleiter Paul Lösch von Charlotte Mast, Mitglied des Kreistages, auf mögliche Themen für den Kreispflegeausschuss angesprochen wurde, hatte er gleich mehrere Ideen parat. Er leitet seit 2012 das Altenzentrum und weiß genau, wo die Probleme liegen. Denn auch St. Barbara hat mit ihnen zu kämpfen. „Es geht der stationären Altenhilfe sehr schlecht. Es gibt weder Geld, noch Mitarbeiter, noch Unterstützung von der Öffentlichkeit“, berichtet er. Er würde sich wünschen, mit einem Vertreter der Politik offen über diese Themen sprechen zu können. Nur kurze Zeit darauf kündigte sich Markus Tressel (Die Grünen) zum Termin an. Als Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher für ländliche Räume liegt ihm dieses Thema sehr am Herzen.
Nach einer Führung durch das Altenzentrum diskutieren Lösch und Tressel gemeinsam mit den Mitgliedern des Bewohnerbeirates und der Mitarbeitervertretung von St. Barbara auf Augenhöhe. In einem sind sich von Anfang an alle einig: Die Pflege ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, um das sich gekümmert werden muss.
Schon während des Einrichtungsrundganges wird zum Beispiel klar, dass oft das Alter der Gebäude die ersten Schwierigkeiten mit sich bringt. Nur eines der weit gefächerten und ineinander verzahnten Probleme. Dem in den 80ern gebauten Teil des Altenzentrums fehlt es an Gemeinschaftsräumen. Dort gibt es zwar noch Balkone, aber zeitgemäß ist die Aufteilung nicht mehr. Der Anbau von 2004 ist da schon moderner, aber saniert werden müsste trotzdem. Der Sanierungsstau schiebt hier jedoch bisher einen Riegel vor.
Als nächstes kam der Punkt Personal zur Sprache: St. Barbara bietet neben der stationären Pflege auch Tages- und Kurzzeitpflege sowie das betreute Wohnen an. Zur stationären Pflege gehören 132 Plätze, jedoch sind nicht alle belegt. Über das Jahr bleiben im Schnitt fünf Plätze ungenutzt, aktuell sind es sogar neun. Weil es an Arbeitskräften fehlt. Im Saarland müssen im Tagesdienst 50 Prozent des Personals Fachkräfte sein. Zudem gilt die Regel: eine Fachkraft auf maximal 30 Pflegebedürftige. Bei der aktuellen Arbeitsmarktsituation ist das schlicht nicht zu stemmen. Und das, obwohl neben den 95 Mitarbeitern in St. Barbara noch 20 ehrenamtliche Helfer tatkräftig Hand anlegen.
In der Gesprächsrunde weiß man, woran das liegt: Es gibt immer mehr Schwerstpflegebedürftige und nur noch wenige junge Menschen sind bereit, die Ausbildung zur Fachkraft oder dem Pflegehelfer zu absolvieren. Außerdem werden die Leute heute insgesamt älter.
Tressel, der selbst schon in einem Seniorenheim gearbeitet hat, kennt die Lage der Pflegekräfte. In Zeiten der Akademisierung und Digitalisierung sei die Wertschätzung für diese Berufsbilder sehr gesunken. „In den letzten Jahren stand das Wachstum im Vordergrund und Soziales ist hinten runtergefallen“, fasst er zusammen. „Wir müssen dafür sorgen, dass diese Themen auf die Tagesordnung kommen. Soziale Berufe sind der Kitt der Gesellschaft.“
Das sei sehr wohl die Aufgabe der Politik, aber auch ein Stück weit die der Träger. Der erste Schritt, den er anführt, ist gegenüber der Gesellschaft das Thema Altenhilfe enttabuisieren und mehr in die Schulen zu gehen. Pflegeheime seien oft zu schlecht dargestellt. Negativschlagzeilen auf Grund von Skandalen seien natürlich berechtigt, aber es könne auch sehr gut funktionieren. Noch besser natürlich, wenn genügend Personal zur Verfügung steht. Das stellen auch die Mitglieder des Bewohnerbeirates und die Mitarbeitervertretung von St. Barbara fest. Für die Tatsache, dass es neben dem Personal leider auch oft an Geld fehle, findet Tressel klare Worte: „Eine so reiche Gesellschaft sollte investieren. Auch Steuergelder.“
In St. Barbara wird jede Möglichkeit genutzt, neue Mitarbeiter zu gewinnen. So etwa per Internet oder über Programme wie „Wegebau“ von der Agentur für Arbeit. Dort wird Quereinsteigern und älteren Berufseinsteigern die Möglichkeit geboten, während der Ausbildung zum Pflegehelfer zum vollen Gehalt zu arbeiten. Fehlen nur noch die Leute, die den Beruf erlernen möchten.
„Wir haben in der Gesellschaft ein Wahrnehmungsproblem“, fasste Tressel die vielen Aspekte des Themas zusammen. Allen ist klar, dass sich die über Jahrzehnte entstandene Situation nicht innerhalb kurzer Zeit lösen lässt. Anstöße kann man aber auf unterschiedliche Weise geben. Nach dem Gespräch steht zum Beispiel der Plan für weiteren Kontakt und eine Schicht im Altenzentrum für Markus Tressel an. Ein Tropfen in das große Fass ist ein guter Anfang.
Text und Foto: Selina Carolin Summer