Montag, 30. Mai 2016

„Gott ist gerecht und barmherzig“

Diözesanpräses Pfr. Michael Baldauf bei seiner Predigt 

25 Jahre Internationale Maiandacht des Kolpingwerkes in Otterberg – Festprediger Diözesanpräses Pfr. Michael Baldauf: „Maria – Mutter der Barmherzigkeit“

Otterberg. „Gerechtigkeit allein macht die Welt noch nicht gut. Gerechte Strukturen müssen sein, aber Frieden in den Herzen können sie nicht schaffen. Es braucht dazu noch eine andere Kraft: das Erbarmen, die Barmherzigkeit“, sagte Diözesanpräses Pfarrer Michael Baldauf (Heßheim), in seiner Predigt in der Zisterzienserabteikirche zu Otterberg. Papst Franziskus habe uns eingeladen, so der Prediger weiter, das Jahr 2016 als Heiliges Jahr der göttlichen Barmherzigkeit zu begehen. Gottes barmherzige Liebe solle uns neu bewusst werden und unser Leben prägen.

Auch in diesem Jahr hatte das Kolpingwerk nach Otterberg geladen zur Internationalen Maiandacht, die vor 25 Jahren zum erstenmal stattfand. Nahezu 700 Gläubige waren dem Ruf gefolgt, um im Geiste Mariens für den Frieden in der Welt, vor allem in Syrien, in Afrika und der Ukraine, aber auch im zerstrittenen Europa zu beten. Unter ihnen die Landtagsabgeordnete Marlies Kohnle-Gros (Hütschenhausen), der Lauterer Ehrenbürger Norbert Thines und Rechtsanwalt Franz Möhler, der Begründer der Otterberger Maiandacht. Pfarrer Baldauf stellte seine Predigt unter das Thema: „Maria – Mutter der Barmherzigkeit“.

Der Prediger erinnerte an ein spätmittelalterliches Schutzmantelbild in einer kleinen Wallfahrtskapelle in Südtirol. Dort sei Maria dargestellt mit einem Schutzmantel, unter den sich notleidende und sorgenbeladene Menschen geflüchtet haben. Das Besondere an dieser Darstellung sei gewesen, „dass an dem Schutzmantel Mariens die Pfeile abprallten, die der zornige und strafende Gott-Vater aus einer Wolke auf die Erde abschoss.“ Hier stelle sich die Frage: „Repräsentiert Maria die Barmherzigkeit, Gott-Vater aber die strafende Gerechtigkeit? Was für ein Gottesbild wird hier vermittelt?“ Eindringlich betonte Pfarrer Baldauf: „Gott ist gerecht und barmherzig. Er hat seine Barmherzigkeit nicht an Maria delegiert, nicht an sie abgegeben.“ Gottes Wesen selbst sei barmherzige, unermessliche und unerschöpfliche Liebe. In den heiligen Schriften beider Testamente sei es die Gott am meisten nachgesagte Eigenschaft. Paulus nenne Gott „den Vater des Erbarmens und den Gott allen Trostes (2 Kor 1, 3). In den Gleichnissen vom barmherzigen Samariter und vom barmherzigen Vater habe Jesus selbst diesen Grundzug des göttlichen Wesens überzeugend veranschaulicht. Nirgendwo begegne uns das schöner, eindrücklicher und treffender.

Die Bereitschaft zum Erbarmen solle nicht auf Gott beschränkt bleiben. Sie müsse zu einer Eigenschaft des Menschen werden. Das mache Jesus im Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht (Mt 18, 23–35) deutlich. Dort laute die entscheidende Frage: „Hättest nicht auch du Erbarmen haben müssen, wie ich mit dir Erbarmen hatte?“ Und in der Bergpredigt heiße es: „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“ (Mt 5,7). Als hartherzig, gnadenlos und unbarmherzig bezeichnet zu werden, sei eine der entehrendsten Disqualifikationen eines Menschen und seines Tuns, so der Geistliche.

Barmherzigkeit sei ein besonderes Kennzeichen der Mutter des Erlösers. Die Bedrängten und Bedrückten in Vergangenheit und Gegenwart hätten immer wieder die Barmherzigkeit Mariens gepriesen und sie hoffnungs- und vertrauensvoll angerufen, sowohl für sich selbst als auch für andere. Denn Maria wisse, was menschliche Not ist, sie habe ihr Erbarmen bis unter das Kreuz ihres Sohnes getragen. Papst Franziskus habe zum Heiligen Jahr geschrieben: „Kein anderer hat so wie Maria die Tiefe des Geheimnisses der Menschwerdung Gottes kennengelernt. Ihr ganzes Leben war geprägt von der Gegenwart der fleischgewordenen Barmherzigkeit.“ Und: „Sie hatte zutiefst Anteil am Geheimnis der göttlichen Liebe.“

Das Gebet, sagte der Prediger, sei kein Ersatz für zumutbare oder geforderte Eigenleistungen. Die Ermutigung des Herrn: „Bittet, und ihr werdet empfangen“ (Mt 7,7), sei kein Freibrief für maßlose Wünsche oder eigene Untätigkeit. Die Berufung und das Leben der Gottesmutter selbst hätten dies bestätigt. Ihr „Fiat – Mir geschehe“ sei nicht nur Ausdruck der Empfangsbereitschaft, sondern auch des Willens zur Mitwirkung nach dem Maß ihrer Kraft und ihrer Sendung. Das Gleichnis von dem Knecht, der sein ihm anvertrautes Talent vergraben hatte, beleuchte die Grenze des berechtigten Vertrauens auf Barmherzigkeit deutlich. Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, mahne uns, auch selbst Barmherzigkeit zu üben. Mit einer Bitte an die Mutter des Herrn schloss der Prediger: „Möge sie uns helfen, unser Herz nach dem Herzen Jesu zu bilden. Denn: Selig sind die Barmherzigen! Sie werden Erbarmen finden!“

In mehreren europäischen Sprachen, in Portugiesisch, Italienisch, Rumänisch, Französisch, Deutsch und Englisch, wurden anschließend Fürbitten um den Frieden in der Welt und die Zukunft Europas vorgetragen. Mit dem eucharistischen Segen endete die Maiandacht.

Die liturgische Leitung der Marienfeier hatte Bezirkspräses Pfarrer Jörg Stengel (Landstuhl) inne. Unter den Geistlichen am Altar befanden sich der ehemalige Diözesanpräses, Pfarrer Andreas König (Landstuhl), Hausherr Pfarrer Dr. Achim Dittrich und Diakon Claudio Caetano von der portugiesischen Gemeinde. Musikalisch wurde die Andacht vom Kolpingblasorchster Erfenbach unter der Leitung von Markus Rebehn und den Kirchenchören aus Otterberg und Weilerbach unter der Leitung von Elisabeth Becker gestaltet. Die Orgel spielte Oliver Schreyer. Der Erlös der Kollekte in Höhe von 820,00 Euro kommt der Entwicklungszusammenarbeit der Kolpingsfamilie Erfenbach in Ruanda und dem Kolpingwerk Tocantins / Nordbrasilien zugute.

Das Kolpingwerk zählt in der Diözese Speyer 5.800 Mitglieder in 58 örtlichen Vereinen, den Kolpingsfamilien. 900 Mitglieder sind unter 30 Jahre alt und gehören der Kolpingjugend an. In Deutschland hat der Verband, der sich auf den Seligen Adolph Kolping und seine Katholi-schen Gesellenvereine zurückführt, 245.000 Mitglieder in 2.600 Kolpingsfamilien. Weltweit zählt das Kolpingwerk 450.000 Mitglieder in über 60 Ländern auf allen Kontinenten. Sein Wahlspruch lautet: „Verantwortlich leben – Solidarisch handeln.“

Text / Foto: Bettinger