Dienstag, 15. November 2016
Frauen aus der Einsamkeit holen

Die Freude war groß beim Caritasausschuss der Pfarrei Heilige Elisabeth aus Grünstadt, als ihnen Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der Vorsitzende des Caritasverbandes Karl-Ludwig Hundemer und Jury-Mitglied Schwester Roswitha den Nardini-Preis 2016 und 1000 Euro Preisgeld überreichten.
Nardini-Preis für den Caritasausschuss der Pfarrei Heilige Elisabeth aus Grünstadt - Ehrung für Paul Quirin, Ulrike Selgrad und Tatjana Toussaint-Jager
St. Ingbert. Ein Höhepunkt beim Caritas-Tag, zu dem der Caritasverband der Diözese Speyer rund 500 Ehrenamtliche nach St. Ingbert eingeladen hatte, war die Verleihung des Nardini-Preises. Mit dem mit 1000 Euro dotierten Nardini-Preis zeichnet der Caritasverband ehrenamtlich aktive Gruppen aus, die neue Wege gehen, um Menschen in Not zu helfen. In diesem Jahr wurde der Preis dem Caritasausschuss der Pfarrei Heilige Elisabeth in Grünstadt verliehen. Der Ausschuss lädt Frauen aus Osteuropa, die sich in der Region als Haushaltshilfen um alte Menschen kümmern, zu Begegnungsnachmittagen ein.
Riesig groß war die Freude, als die Gruppe den Preis von Bischof Karl-Heinz Wiesemann überreicht bekam und Jury-Mitglied Schwester Roswitha den Scheck über 1000 Euro Preisgeld aushändigte. Das frühere Jahresmotto der Caritas: „Weit weg ist näher, als du denkst“, hatte die Gruppe um die Caritasausschussvorsitzende Magdalena Grönig inspiriert. Dieses Motto brachte die Erkenntnis, dass die Not auch direkt vor unsere Haustür gelangt, in Gestalt von Menschen, die Schutz oder Arbeit suchen. Der Gedanke ließ den Caritasausschuss noch genauer hinschauen, als er es ohnehin tut, wenn es um mögliche Notstände geht. Dabei fiel der Blick auf die Frauen aus Osteuropa, die in der Region als Haushaltshilfen bei pflegebedürftigen Menschen arbeiten.
Unspektakuläres Projekt mit großartiger Wirkung
Ein auf den ersten Blick unspektakuläres Projekt, sagte der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Speyer, Karl-Ludwig Hundemer bei der Preisverleihung. Und doch hätte die Jury nach seiner Ansicht kein passenderes Projekt finden können. „Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit ganz wenig Aufwand etwas Großartiges erreichen kann“, sagte Hundemer. Genau das mache das Projekt so gut übertragbar auf andere Pfarreien. Bei diesem Projekt werde Einsamkeit in menschliche Begegnung gewandelt, würdigte Hundemer und erinnerte an ein Zitat von Martin Buber: „Ich werde am Du - alles wirkliche Leben ist Begegnung“. Genau dafür stehe das Projekt, für die Möglichkeit der Begegnung. Die Frauen aus Osteuropa werden zu Kaffee und Waffeln eingeladen, können sich in geschützter Atmosphäre kennenlernen und fern ihrer Heimat ein Stück Heimat erfahren. Beispielsweise dadurch, dass sie sich einfach mal wieder in ihrer Muttersprache unterhalten können. Auch über ihre Situation: Die Frauen hätten ihre eigene Familie verlassen, um in Deutschland Familien zu helfen, damit es letztlich auch ihrer Familie in ihrer Heimat besser gehe.
Sozialpolitisch sei die Preisvergabe an dieses Projekt eine heikle Entscheidung der Jury, bekannte Hundemer. Die Beschäftigung von osteuropäischen Frauen sei ein kritisch zu bewertendes Politikum. Es sei eine Lösung, oft im halblegalen Raum. Dass so viele Familien zu dieser Lösung greifen, sei der Tatsache geschuldet, dass die Politik für die immer größer werdende Zahl alter und pflegebedürftige Menschen bisher keine adäquate Lösung gefunden habe. Wären diese Frauen heute oder morgen nicht mehr da, weil der arbeitsrechtliche Graubereich, in dem sie sich bewegten nicht mehr geduldet werde, „würde endgültig der Pflegenotstand in Deutschland ausbrechen“, sagte Hundemer. Es fehle an Kapazitäten in Pflegeeinrichtungen, Pflegefachkräften und finanziellen Mitteln. Politische Lösungen zu finden, sei dringend erforderlich, unterstrich der Vorsitzendes des Caritasverbandes.
Die Politik hatten die Preisträger (Pfarrer Martin Tiator, Hannelore Raudzus, Maria Bickel, Ilona Fischer-Kapp, Maria Frank, Hiltrud Skobel, Albert Hochdörfer, Gudrun Fischer, Magda Grönig) nicht im Blick, als sie ihr Projekt starteten. Den Frauen vor Ort ein Stück Heimat bieten, ihnen die Möglichkeit der Begegnung bieten, war ihnen wichtig. Dass beim vergangenen Treffen schon 20 Frauen zu Gast waren – zum ersten Treffen waren vier Frauen gekommen - zeige, wie notwendig dieses Projekt ist. Das zeigte sich nach der Preisverleihung auch daran, dass die Kontaktdaten der Gruppe aus anderen Pfarreien gefragt waren, um sich Tipps geben zu lassen, wie sich das Projekt auch in anderen Pfarreien umsetzen lässt. Das Preisgeld, sagte Magda Grönig, komme gerade recht. Einen Teil davon, möchte die Gruppe nutzen, um professionelle Einladungskarten, Flyer und Plakate herstellen zu können. Auch in der Sprache der Frauen, beispielsweise auf polnisch und rumänisch. „Die wollen wir so flexibel gestalten, dass sie auch andere Gruppen nutzen können“, erläuterte Grönig. Dass der Caritasausschuss seit dem Konzept Gemeindepastoral 2015 auf der Gemeindeebene angesiedelt sei, habe sich gerade bei diesem Projekt als hilfreich erwiesen. „Eine bessere Vernetzung ist dadurch gegeben. Wir erreichen mehr Multiplikatoren und über diese Multiplikatoren die Frauen aus Osteuropa“, nannte Grönig einen Vorteil.
Ehrung für langjähriges, ehrenamtliches Engagement
Stellvertretend für die Leistung vieler Ehrenamtlicher zeichnete der Caritasverband anlässlich des Caritastages drei Ehrenamtliche für ihr langjähriges Engagement mit der goldenen Ehrennadel der Caritas aus. Die Laudatio hielt Caritasdirektor Vinzenz du Bellier.
Paul Quirin aus Gersheim ist seit 1987 Diakon im Zivilberuf in den Pfarreien Gersheim-Walsheim-Reinheim. Sein Diakonat habe er immer als caritativen Dienst verstanden. Solidarisch mit den Menschen vor Ort sein, sei sein Motto. Von 1975 bis 2010 war er Mitarbeiter in der Ökumenischen Telefonseelsorge, wo seine Fähigkeit sehr geschätzt wurde, zuhören zu können ohne zu werten. Diese Fähigkeiten brachte er auch als Vorsitzender des Caritasausschusses der Gemeinde Gersheim ein. Eine Herzensangelegenheit war und ist für ihn das Projekt „Treff em Gässje“ in St. Ingbert, das er mit aufgebaut und entwickelt hat. Das Projekt hilft wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen und wird ausschließlich von Ehrenamtlichen getragen. Angesiedelt ist es beim Caritas-Zentrum Saarpfalz. Mit Ruhe, Gelassenheit und der Fähigkeit zum klugen Kompromiss verstehe er es, die Anliegen der ehrenamtlich tätigen Frauen, der Wohnungslosen und der Mitarbeiter des Caritas-Zentrums unter einen Hut zu bringen. Im „Treff em Gässje“ sei Quirin der treue Seelsorger. Seit 2015 engagiert sich Quirin auch in der Flüchtlingshilfe in Gersheim und Umgebung.
Ulrike Selgrad aus St. Ingbert war beruflich einige Jahre als Pfarrsekretärin tätig. Als sie in den Unruhestand ging, weitete sie ihr ehrenamtliches Engagement noch stärker aus. Im Caritasausschuss der Pfarrei St. Pirmin und St. Michael war sie tätig. Unter anderem durch den Besuch des Grundkurses Caritas machte sie sich für diese Aufgabe fit, die zur Folge hatte, dass sie heute den Arbeitskreis Gemeindecaritas in dieser Gemeinde leitet und Mitglied im Caritasausschuss der Pfarrei Heiliger Ingobertus ist. Dass die Besuchsdienste geregelt sind, ist ihre Aufgabe und ihr Verdienst. Das gilt auch für den Besuchsdienst im Krankenhaus. Sie selbst besucht gleichfalls alte und kranke Menschen, bringt ihnen die Krankenkommunion und organisiert mit einem Team Seniorengottesdienste. Familien in Notlagen hilft sie, wenn im Krankheits- oder Trauerfall die entsprechenden Mittel fehlen. Lebensmittelsammlungen für die Tafel übernimmt sie ebenfalls und hilft bei Martins- und Nikolausaktionen. Ulrike Selgrad ist außerdem Mitglied im Pfarreirat und singt seit Jahrzehnten mit viel Freude in Schola und Kirchenchor. Aber auch für den Sport hat sie ein Herz. Seit der Premiere im Jahr 2006 gehört zum Organisationsteam des St. Ingberter Soli-Laufes. Über 1000 Läufer bringt dieser regelmäßig auf die Beine und mit jedem Kilometer, der zurückgelegt wird, sammeln die Teilnehmer Geld für sozial-caritative Zwecke.
Tatjana Toussaint-Jager aus St. Ingbert ist seit fünf Jahren Vorsitzende des Caritaskreises der Gemeinde St. Franziskus. 26 Frauen gehören diesem an. Im Caritasausschuss der Pfarrei Heiliger Ingobertus ist sie gleichfalls Mitglied. Mit ihrem Team vom Caritaskreis organisiert sie Beerdigungskaffees, ist in dieser Funktion Ansprechpartnerin und große Unterstützung für Angehörige in der schwierigen Phase der Trauer und leistet Trauerbegleitung. Ältere Gemeindemitglieder freuen sich, dass Tatjana Toussaint-Jager und ihr Team regelmäßig Kaffeenachmittage für sie gestalten. Dabei werden auch die Bewohner der angrenzenden Altenheime nicht vergessen und eingeladen. Der Bewohner des Altenheims Fidelishaus nimmt sie sich besonders an, hilft bei Gottesdiensten und besucht die Senioren. Sie ist Mitglied im Organisationsausschuss, bis 2015 war sie auch im Pfarrgemeinderat tätig. Mit Leidenschaft singt sie im Chor „TonArt“. Während der Fastenzeit hilft sie bei der Durchführung des Gemeinde-Essens, dessen Erlös sozial-caritativen Projekten zugute kommt. Bei vielen dieser Anlässe sind die besonderen Backkünste der gelernten Konditorin gefragt. Die oft wichtige Verbindung zur Politik ist in ihrem Fall auch gegeben. Tatjana Toussaint-Jager ist Mitglied im St. Ingberter Ortsrat.
Text/Foto: Caritasverband für die Diözese Speyer