Freitag, 21. August 2020

Gnadenhochzeit – ein seltenes Ehejubiläum

 

70 Jahre verheiratet - Video Interview von Rita Höfer

Ruppertsberg. Mein Kollege und ich haben uns in einer ganz normalen Woche zu den Eheleuten Lore und Raymund Rössler nach Ruppertsberg auf den Weg gemacht. Grund dafür ist, dass beide ein überaus seltenes Ereignis im August feiern. Sie haben 70 Ehejahre miteinander verbracht und feiern Gnadenhochzeit – ein schönes und sehr seltenes Jubiläum.


Sie haben sich für die Feier der Ehejubiläen im August im Dom zu Speyer angemeldet und sich wie viele andere Ehejubilare auch sehr darauf gefreut. Jetzt musste aus den bekannten Gründen der Corona-Pandemie diese große Feier im Dom abgesagt werden. Wir wollen ein Video machen und haben Fragen mitgebracht, ein Vorgespräch bei den beiden zuhause hat bereits stattgefunden.


Wir treffen auf zwei rüstige Eheleute, beide über 90 Jahre alt. Sie leben in ihrer Wohnung und sind im Tagesgeschehen dabei. Sie sind aufgeregt, freuen sich über den Besuch, ein Glas Wasser wird angeboten und nach dem kleinen Interview etwas zum Knabbern. Beide sind angespannt und erwartungsvoll, mit der Zeit wird es sehr lebendig. Beide ergänzen sich, auch wenn sie glaubt, dass eigentlich er das sagen im Haus hat.


Ich frage alles, was mich interessiert. Wie haben Sie sich kennengelernt? Was schätzen Sie an Ihrer Frau, an Ihrem Mann? Was macht ihnen gemeinsam Freude?


Das ist das Schönste: Die Offenheit.


Da ist das Leuchten auf dem Gesicht der Frau, als sie aus der Zeit vor der Hochzeit erzählt. Beide kennen sich von Kindheit an, leben am selben Ort, nicht weit auseinander. Der junge Mann hat beeindruckt, „er wirkte älter als er war“. Ein halbes Jahr vor der Eheschließung war es üblich, sich zu verloben. Sie arbeitete lange im Winzerverein auch nach der Hochzeit und führte dann, als ihre Mutter starb, für ihren Vater den Haushalt.
In der Nachkriegszeit war Herr Rössler als Jugendlicher schon mit 16 Jahre im Dorfleben aktiv. Einfallsreich und tatkräftig organisierte und übersetzte er für die Amerikaner. Vieles, was heute selbstverständlich ist, war damals begehrt. Schokolade und Kaffee spielten bei der Werbung um die Frau des Herzens eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie er mir mit einem Augenzwinkern erzählt. Und er hatte den Zugang dazu, weil er Kontakt zu den Amerikanern und den begehrten Waren hatte, die er großzügig weitergab - nicht ganz uneigennützig.


Geheiratet wurde als der Ehemann volljährig wurde. Bei der Trauung assistierte sein Bruder, ein Priester. 1950 läuteten die Hochzeitsglocken. In der Kirche St. Martin in Ruppertsberg versprachen sich der heute 91jährige und die nun 94-Jährige die ewige Liebe und Treue. Die Bilder dazu gibt es im Fotoalbum, das auf dem Tisch liegt, das Verlobungsfoto und der Gang zur Kirche geordnet in einer langen Prozession - so wie es damals üblich war.


1951 wurde ein Sohn geboren, 1953 eine Tochter. Heute haben die beiden 3 Enkel und 5 Urenkel. Die beiden mit ihren Erfahrungen in den 70 Ehejahren müssen ja quasi als Eheexperten gelten, sie haben gemeinsam geliebt, geweint und gelacht. Schwierige Themen klingen im Hintergrund an, Tränen in den Augen, schimmern auch mal durch. Wichtig ist beiden, dass Sie alles gemeistert haben, sie haben getan, was getan werden musste, denn es musste ja immer weiter gehen. Da sind sie sich einig. Es ist zu sehen: beide haben sich immer noch gern. In ihrer Liebe geht es darum, dass sie ein ganzes Leben zusammen geführt und Werte gemeinsam geteilt haben, das ist nicht rein romantisch.


Können Sie uns das Geheimnis einer so langen Ehe verraten? Gibt es etwas, was sie anderen Eheleuten empfehlen können? Besonders in den Durststrecken des Lebens oder in Zeiten von Herausforderungen? Heraushören kann man, wichtig ist Durchhalten und zusammen halten. Zwischendrin höre ich als Fragende eine Stimme in mir: Werden die Menschen meine Fragen nicht als übergriffig empfinden?


Diese außergewöhnliche Ehegeschichte ist einmalig und gehört deshalb in einen Goldrahmen. So wie die ganze Familie anlässlich des 90. Geburtstages im vergangenen Jahr gerahmt im Wohnzimmer aufgehängt ist. Da hängt das Leben, hier festgehalten in den Familienmitgliedern. So war das. Und so ist es gut. Natürlich interessiert uns, welche Rolle der Glauben im Leben spielt. Beide sind katholisch erzogen worden und es war für beide selbstverständlich, dass sie dies auch weiter geben. Zur Hochzeit gab es für das Haus ein Kreuz, das über der Bank in der Küchenecke aufgehängt ist. Es gehört in ihren Alltag und es gehört dazu ohne groß Worte darüber zu machen.


Nach 70 gemeinsamen Ehejahren feiern sie ein ganz besonderes Hochzeitsjubiläum – die Gnadenhochzeit. Die Bedeutung des Hochzeitstages trägt schon der Name in sich: Nach christlichem Glauben wird ihnen sozusagen die Güte Gottes oder die Gnade Gottes geschenkt, nicht nur ein langes Leben, sondern auch ein langes gemeinsames Eheglück zu erfahren, so wie es war und ist, mit schmerzlichen und fröhlichen Zeiten.


Im Vorgespräch habe ich erfahren, dass beide ihren Hochzeitstag am liebsten im kleinen Kreis oder auch zu zweit verbringen wollen. Aber möglicherweise und wohl wahrscheinlich wird ein Fest mit der Familie gefeiert. Wir möchten Ihnen dafür danken, dass Sie uns daran teilhaben lassen und wünschen für den weiteren gemeinsamen Lebensweg alles erdenklich Gute!

Zum Videointerview: Gnadenhochzeit - 70 Jahre verheiratet


Gottes Segen, Gottes Walten
mögen Sie gesund erhalten,
und das Glück, vergnügt und heiter,
bleibe ständiger Begleiter!

Text: Rita Höfer / Foto: is