Dienstag, 29. August 2023
„Für die Betroffenen ist das ein Ausnahmezustand“
Ein Porträt über den ehrenamtlichen Notfallseelsorger Rudi Götz von Parviz Khosrawi
Rund 1,5 Millionen Menschen in Rheinland-Pfalz engagieren sich ehrenamtlich. Sie helfen durch ihren freiwilligen Einsatz anderen Menschen. Einer von ihnen ist Rudi Götz aus Annweiler. Der 66-Jährige ist seit Mai letzten Jahres ehrenamtlicher Notfallseelsorger beim DRK Kreisverband Südliche Weinstraße. „Wir begleiten Menschen in außergewöhnlichen und belastenden Situationen. Das ist unsere Aufgabe,“ so Rudi Götz.
Das Telefon von Rudi Götz klingelt, wenn in seiner Umgebung etwas Schlimmes passiert ist. Vom schweren Verkehrsunfall bis hin zum Suizid. Der ehemalige Feuerwehrmann kommt dann zum Einsatz: „Wir werden zum Beispiel durch den Rettungsdienst aktiviert, nach einer erfolglosen Reanimation oder auch, wenn die Polizei nach einem tödlichen Verkehrsunfall eine Todesnachricht überbringen muss. Dann begleiten wir die Kolleginnen und Kollegen. Das hat sich als sehr hilfreich erwiesen, dass wir die Menschen in ihrer Notsituation dann betreuen.“
Rudi Götz und seine Kolleginnen und Kollegen sind für die Angehörigen da, helfen, leisten seelischen Beistand. Er weiß, wie wichtig seine ehrenamtliche Tätigkeit für die betroffenen Menschen ist: „Für die Betroffenen ist das ein Ausnahmezustand, wenn sie eine schlimme Nachricht erhalten, die in vielen Fällen aus heiterem Himmel, ohne Ankündigung kommt. Die Angehörigen sind dann oft paralysiert, also handlungsunfähig. Dann versuchen wir durch unsere Anwesenheit, aber auch durch Techniken die wir erlernt haben, im Gespräch herauszufinden, was diese Menschen gerade brauchen und was ihnen hilft. Wir bilden sozusagen zu einem gewissen Maß ein virtuelles Geländer, an dem sie sich festhalten können.“
Um als ehrenamtlicher Notfallseelsorger zu arbeiten, wird eine spezielle Ausbildung benötigt, die vom Bistum Speyer gemeinsam mit der Evangelischen Kirche der Pfalz angeboten wird. Doch nicht nur die Schulung und das Erlernte auch die persönliche Einstellung und der Wille, anderen Menschen helfen zu wollen sind natürlich entscheidend: „Zunächst verspürt man erstmal den Wunsch, in der Notfallseelsorge mitarbeiten zu wollen. Man wird eingeladen zu einem Gespräch, wo die Ausbilder genau schauen, ob man von seiner Persönlichkeit her überhaupt für dieses Ehrenamt geeignet ist. Man wird gefragt, wie man mit schwierigen Situationen umgeht. Danach folgt eine Ausbildung in acht Modulen, in denen viele Themen und Felder besprochen wurden.“
Kein Einsatz gleicht dem anderen. Nicht nur die Fälle sind immer anders, auch die Menschen, die betroffen sind, befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen. Jeder Mensch verarbeitet den Verlust eines geliebten Menschen auf ganz eigene Weise. Rudi Götz beschreibt: „Die Einsätze insbesondere nach Suiziden sind sehr anspruchsvoll. Aber auch nach Unfällen sind die Betroffenen in einem Ausnahmezustand. Und in den Fällen, wo es zu einem Unfall mit Todesfolge kam, werden die Angehörigen ohne Vorankündigung wirklich mitten aus dem Leben herausgerissen.“
Es gibt natürlich auch Einsätze, die Rudi Götz selbst sehr bewegen und die ihn lange noch emotional sehr beschäftigen. Er berichtet von einem tödlichen Unfall, bei dem er eine Frau begleitete. Sie äußerte den Wunsch, ihren toten Ehemann ein letztes Mal sehen zu können. „Das war ein sehr intimer Moment. Man spürt was das mit den Menschen macht, wenn sie einen nahen Angehörigen in einer solchen Situation berühren können. Sie beginnen den Tod im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Es ist erstaunlich, was dieser Moment mit den Menschen macht, etwas anzunehmen, ruhig zu werden innerlich!“, beschreibt Rudi Götz.
Der 66-Jährige ist für andere Menschen da, wenn sie ein geliebtes Familienmitglied verlieren. Den Ehemann, die Ehefrau, den Vater, die Mutter oder vielleicht sogar ein Kind. Das Leid anderer Menschen zu teilen, ist natürlich seelisch sehr belastend. Deshalb hat Rudi Götz für sich Möglichkeiten geschaffen, das Erlebte zu verarbeiten: „Man ist natürlich mit Leib und Seele dabei. Ganz wichtig ist jedoch, dass man die notwendige Balance und Distanz für sich selbst behält. Um den Menschen wirklich helfen zu können. Danach ist es so, dass man Dinge tut, die einem guttun. Ich gehe dann mal raus in die Natur oder ziehe mich zurück in die Hobbywerkstatt. Oder ich spreche mit meiner Familie darüber. Wobei die Familie sehr gut spürt, ob ich dann lieber allein sein möchte oder über das Erlebte sprechen mag. Natürlich ohne Namen zu nennen. So kann ich meine Einsatzfähigkeit am Ende aufrechterhalten.“
Rudi Götz ist gläubiger Katholik. Der Glaube an Gott ist für den 66-Jährigen auch bei seiner Arbeit als ehrenamtlicher Notfallseelsorger sehr wichtig: „Ich glaube, dass die christliche Haltung mir hilft, den Menschen zugewandt zu sein und sehr viel Empathie zu haben. Auf genau das kommt es am Ende drauf an. Und ich bin überzeugt: Die Menschen spüren das. Ich bin sehr dankbar dafür, dass man uns im Rahmen unserer Ausbildung diese Haltung auch intensiv vermittelt hat.“
Rudi Götz ist froh über seine neue Aufgabe als ehrenamtlicher Notfallseelsorger. So kann er nach seiner aktiven Dienstzeit als Feuerwehrmann weiterhin für andere Menschen da sein. Ihnen zuhören. Ihnen zur Seite zu stehen. Und ihnen helfen, den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten.
Das Interview mit Rudi Götz läuft in der Sendung "RPR1 Einfach himmlisch" am 3. September ab 6.00 Uhr auf RPR1.