Dienstag, 08. November 2022

„Mindestlohn muss weiter steigen“

Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer (2.von links) mit Vertretern der Veranstalter und der Speyerer Oberbürgermeisterin Seiler. 

Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer spricht bei Kurpfälzer Sozialtagen

Speyer. „Wir leben in der Krise. Aber am Arbeitsmarkt ist diese noch nicht angekommen.“ So die Worte des rheinland-pfälzischen Arbeits- und Sozialministers. Alexander Schweitzer (SPD) sprach im Rahmen der 10. Kurpfälzer Sozialtageunter dem Motto „Wertvoll arbeiten – menschenwürdig statt prekär“ im Ratssaal der Stadt Speyer. Dazu eingeladen hatte das Referat Arbeitswelt der Diözese Speyer, die KAB und die Arbeitnehmerseelsorge der Erzdiözese Freiburg. Knapp 40 Interessierte waren gekommen.

Die Arbeitslosenquote, führte Schweitzer aus, liege derzeit bei 4,7 Prozent und ist damit fast gleich hoch wie vor der Pandemie. Im Moment plagten die Unternehmer ganz andere Sorgen: nämlich Fach- und Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig herrschten bei 82 Prozent „atypische Beschäftigungsverhältnisse“. Das heißt, es gibt viele Teilzeit- und prekär bezahlte Stellen. Erstere hätten vor allem Frauen inne. Und wenn sie nach Erziehungs- oder Pflegezeiten wieder Vollzeit arbeiten möchten, sei der Weg „leider versperrt“. Die Auswirkungen, bilanzierte der Minister, beschränkten sich aber nicht nur auf den Lohn, sondern auch auf die spätere Rente. Der Personenkreis gehöre also zu den künftigen Grundsicherungsempfängern.

Wenngleich Schweitzer die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro die Stunde würdigte, räumte er ein, dass die Bezieher davon kaum leben und auch keine Alterssicherung aufbauen könnten. „Der Mindestlohn wird weiter steigen müssen.“

Um Armut und Not zu lindern, hat das Land „Orte des Zusammenhalts“ eingerichtet. Dort können Betroffene sich austauschen, essen und trinken und mit Vertretern von Sozialbehörden in Kontakt treten. Aus einem neu aufgelegten Fördertopf werden Schuldnerberatung und Tafeln stärker unterstützt.

Um gar nicht erst in eine prekäre Situation zu geraten, setzt der Sozialminister verstärkt auf Prävention. Dies bedeutet zum einen, Arbeitslose so schnell wie möglich wieder in den Beruf, junge Menschen in Ausbildung zu bringen. Der Redner verhehlte nicht, dass es eine Klientel mit „multiplen Vermittlungshemmnisse“ gebe. „Bedarfsgemeinschafts-Coaches helfen ihnen und ihren Familien, die meist unter schwierigen Bedingungen leben.“

Kritisch bewertete Alexander Schweitzer, dass der Bezug von Kurzarbeitergeld nicht mit einer Weiterqualifizierung verbunden wird. „So könnten Betriebe und Arbeitskräfte die Zeit sinnvoll und gewinnbringend nutzen.“ Nicht zuletzt in Sachen Digitalisierung herrsche in Deutschland in allen Branchen, inklusive den sozialen, immer noch hoher Fortbildungsbedarf. Rheinland-Pfalz hat einen eigenen Transformationsrat ins Leben gerufen, um die Bedeutung der Fortbildung den Menschen näher zu bringen. „Eine gelingende Transformation ist ein Dienst für die Demokratie.“

In ihrem Grußwort würdigte die Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler das Thema der Kurpfälzer Sozialtage: „Es ist aktueller denn je und entspricht ganz den Forderungen der christlichen Soziallehre.“ Als Stadt- und Verwaltungschefin mit mehr als 1000 Mitarbeiter wolle sie mit gutem Beispiel vorangehen, eine Arbeitsstätte schaffen, an der der Mensch im Fokus steht.

Seiler gestand ein, dass nicht nur im Rathaus, sondern generell vieles verbessert und optimiert werden müsse. Die Beschleunigung in der Arbeitswelt, die Flexibilisierung, Digitalisierung und damit verbunden Homeoffice und ständige Erreichbarkeit erzeugten Unsicherheit. Viele stellten sich die Frage, wie das soziale Miteinander unter diese Bedingungen funktionieren könne. Denn „nur zufriedene Angestellte leisten auch gute Arbeit“.

An die Politik appellierte die Oberbürgermeisterin, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst und sich ihrer anzunehmen. Alle seien gefragt, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen.

Text/Foto: Seelsorge in der Arbeitswelt - Regina Wilhelm