Donnerstag, 29. April 2021

„Teil der Lösung statt Teil des Problems sein“

Personalchefin Christine Lambrich und Generalvikar Andreas Sturm. 

Generalvikar Andreas Sturm und Ordinariatsdirektorin Christine Lambrich zum „Tag der Diakonin“

Speyer. Heute begeht die Kirche den Festtag der Heiligen Katharina von Siena. Im 14. Jahrhundert hatte sie eine vermittelnde Rolle in den sich anbahnenden Kirchenkonflikten ihrer Zeit. Sie machte durch ihre öffentlichen Auftritte zu politischen und kirchlichen Fragen von sich reden. Ihr großer Glaube und ihr unerschütterliches Band zur Kirche motivierten sie, sich für den Frieden einzusetzen. Seit Jahrzehnten ist der Tag der großen Kirchenlehrerin auch „Tag der Diakonin“. Damit wird das Anliegen in den Mittelpunkt gestellt, Frauen zu Diakoninnen weihen zu dürfen und damit einen weiteren Schritt in Richtung Gerechtigkeit von Frauen und Männern in der katholischen Kirche zu gehen. Generalvikar Andreas Sturm sagt anlässlich des Gedenktages heute: „Wir müssen dringend deutlich machen, dass für uns als Kirche das geschwisterliche und wertschätzende Zusammenarbeiten unverzichtbar ist. Dazu braucht es auch die Anerkennung durch die zutreffende Bezeichnung für das, was ohnehin in einem Übermaß von Frauen geleistet wird: der Dienst am Menschen – biblisch gesprochen: Diakonat.“

„Ich bin fest davon überzeugt, dass es die kirchenrechtliche Anerkennung für den sakramentalen Dienst, den Frauen für ihre Mitmenschen leisten, in unserer Kirche braucht. Ich setze mich dafür ein, dass sichtbar und anerkannt wird, was Frauen aufgrund ihres Glaubens und ihrer Verbundenheit mit Christus im unmittelbaren Tätigsein für hilfesuchende und bedürftige Menschen leisten“, so Sturm.

Die Benachteiligung und mangelnde Anerkennung von Frauen ist weltweit ein großes Thema. Zuletzt wies die Soziologin Jutta Allmendinger darauf hin, dass die Corona-Pandemie zu einem deutlichen gesellschaftlichen Rollback führe. Der Lockdown zwinge gerade Frauen zurück in die Verantwortung für den häuslichen Bereich und mache sie zu Verliererinnen der Krise. Die UN Sicherheitsratsresolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ betont, dass Frauen weltweit eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten zukommt. Der dritte Aktionsplan der Bundesregierung wurde im Februar 2021 beschlossen und sieht eine Stärkung der Beteiligung von Frauen an der weltweiten Konfliktbewältigung vor. Längst ist klar: Ein friedliches Miteinander von Kulturen, Gesellschaften und Religionen ist in einer globalen Welt nicht ohne die aktive Beteiligung von Frauen zu gewährleisten. Gleichberechtigung ist kein Luxusgut, sondern Menschenrecht.

„Katholische Kirche mag an Einfluss in zunehmend säkularen Gesellschaften verlieren. Weltweit gesehen ist ihr Einfluss aber ungebrochen groß. Von der Möglichkeit, die Welt gerechter und damit besser zu gestalten, sollte Kirche sich herausfordern lassen und Teil der Lösung, statt Teil des Problems sein“, erklärt Sturm. Er schließe sich der Einschätzung des Forums „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ des Synodalen Wegs an. Im Arbeitstext des Forums heißt es: „Die Partizipation von Frauen an Diensten und Ämtern berührt entscheidende Dimensionen des kirchlichen Sendungsauftrags: den Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums, die Frage der Glaubwürdigkeit kirchlicher Verkündigung und Fragen der Gerechtigkeit. Sie ist eine Frage der theologischen Wahrhaftigkeit und ein Prüfstein für die Zukunftsfähigkeit der katholischen Kirche. Nur mit Frauen und Männern und ihren vielfältigen Berufungen, Lebenserfahrungen, Kompetenzen und Charismen kann die Kirche ihrem Auftrag gerecht werden: Jesus Christus vor allem mit den Suchenden zu suchen und zu finden.“

Bereits 2019 haben die deutschen Bischöfe sich durch eine Quotenregelung dazu verpflichtet, Frauen mehr Zugänge zu Leitungsfunktionen – unabhängig von der Frage nach gleichberechtigtem Zugang zum Weiheamt – zu ermöglichen. Der Anteil von Frauen auf der Leitungsebene der Bistümer soll bis 2023 auf mindestens ein Drittel steigern. Im Jahr 2018 zählten alle 27 deutschen Bistümer zusammen 39 Frauen auf der oberen Leitungsebene. Aktuell werden im Bistum Speyer zwei von fünf Hauptabteilungen von Frauen geleitet.

Eine von ihnen ist Ordinariatsdirektorin Christine Lambrich, die „punktgenau“ am heutigen Tag vor zwei Jahren zur Personalleiterin ernannt wurde. Sie stellt fest, dass auch auf der mittleren Leitungsebene im Bistum Speyer zu wenige Frauen präsent sind, bildet diese doch den „Recrutierungspool“ für höhere Leitungsaufgaben. Bereits 1981 veröffentlichten die deutschen Bischöfe die Erklärung „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“. „Was damals in so unerreichbarer Ferne schien, ist heute realisierbar“, so Lambrich. Die Bischöfe hätten visionär ein Bild der Kirche der Zukunft gezeichnet, nach dem die Kirche das Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und Zusammenwirken von Frauen und Männern sein soll. „Jetzt gelte es, dies konsequent umzusetzen.“

Während einer „digitalen Reise in die Schweiz“ im Juni 2021 werden sich Fachreferentinnen des Ordinariates zusammen mit Personalchefin Christine Lambrich darüber informieren, wie es in verschiedenen Kantonen der Schweiz kirchenrechtlich möglich wurde, dass Pastoralreferentinnen dort diakonische Aufgaben wahrnehmen: zum Beispiel Taufen spenden und der Eheassistenz in einer kirchlichen Feier vorstehen.

Text/Fotos: is/Landry