Donnerstag, 09. März 2017
Gemeinsamer Traum von Solidarität

Kardinal Philippe Ouédraogo berichtete in Ludwigshafen über die Situation in seinem Heimatland Burkina Faso.
Gespräch mit Kardinal Philippe Ouédraogo aus Burkina Faso, dem Beispielland der Fastenaktion von „Misereor“, in Ludwigshafen
Ludwigshafen. Zwei Tage lang ist Kardinal Philippe Ouédraogo aus Ouagadougou, der Hauptstadt des afrikanischen Staates Burkina Faso, im Bistum Speyer zu Gast. Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder Afrikas und in diesem Jahr Beispielland der Fastenaktion des katholischen Hilfswerkes „Misereor“. Sie steht unter dem Motto „Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen“.
Bei einem Pressegespräch in Ludwigshafen erläuterte Kardinal Ouédraogo, wie passend dieses Motto für sein Land ist: 80 Prozent der Bevölkerung leben von Landwirtschaft und Viehzucht. Eine große Herausforderung ist für das Land die junge Bevölkerung: 70 Prozent sind jünger als 35 Jahre. Zugleich gehen noch immer nur rund 60 Prozent der Kinder zur Schule, die Gesundheitsversorgung des Landes ist lückenhaft, die Stellung der Frau und die Menschenrechte sind für den Kardinal ebenso Grund zur Sorge. Zwar ist es der Bevölkerung gelungen, eine Demokratie zu erkämpfen, aber das war mit großen Opfern verbunden, berichtet der Kardinal. „Jetzt geht es außerdem darum, diese Demokratie zu festigen“, sagt er – und dazu brauche das Land Partner. Die Arbeitslosigkeit müsse bekämpft werden, damit nicht weiterhin viele junge Menschen Afrika verlassen.
An vielen Stellen leben die Menschen in Burkina Faso Toleranz: Neben den Katholiken gibt es eine Mehrheit von Muslimen sowie eine große Gruppe, die den traditionellen afrikanischen Religionen angehören. „Blutsbande sind stärker als Glaubensbande“, weiß Kardinal Ouédraogo, und so gehen die verschiedenen Religionen quer durch Familien, interreligiöse Hochzeiten sind ebenso möglich wie der Übertritt in eine andere Glaubenszugehörigkeit. Die religiösen Oberhäupter besuchen sich gegenseitig an den Feiertagen der jeweils anderen Religion, und in seiner Bischofsstadt gibt es ein „Bischofs-Cup“ genanntes Fußballturnier, das ebenfalls dem interreligiösen Dialog dient.
Die afrikanischen Traditionen, so erzählt er aus dem Alltag, spielen auch im Glaubensleben eine große Rolle. So nutzt er gerne afrikanische Sprichwörter und setzt sie in der Katechese um. Sein Lieblingssprichwort und Lebensmotto lautet: „Man gibt nicht, weil man hat, man gibt, weil man liebt“ – und schon stellt er die Verbindung her zum Gleichnis des barmherzigen Samariters.
„Es geht nur in Solidarität“, betont Kardinal Ouédraogo, wenn er die verschiedenen Herausforderungen in seinem Land – aber auch weltweit - anspricht. „Wir brauchen die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, mit den Kirchen Europas und mit Institutionen wie Misereor“, fordert er. Er zitiert Martin Luther King und wünscht sich, dass „wir alle gemeinsam träumen“, von Solidarität, Brücken zwischen Ländern, Religionen und Partnern.
Die katholische Kirche sieht der afrikanische Kardinal als eine einzige große Familie an. Sie ist einheitlich – getragen von Jesus Christus und dem Evangelium – und sie ist vielfältig in ihren Herausforderungen. „Die Länder haben unterschiedliche Entwicklungsstadien, und wenn zum Beispiel in Deutschland das Thema Ehescheidungen ein großes Problem ist, so ist die Polygamie bei uns eine Schwierigkeit“, sagt er. Aber er ist überzeugt: „Es wird uns gelingen, unsere Kirche zu stärken, wenn wir Seite an Seite gehen, und durch das gemeinsame Gebet, das Zuhören und die Treue zum Evangelium.“
Kardinal Ouédraogo ist sehr dankbar dafür, dass Burkina Faso Beispielland für „Misereor“ ist. Seine Reise, die noch bis 22. März durch Deutschland geht, ist teilweise auch anstrengend. „Aber es ist ein starkes Zeichen, dass Sie ausgerechnet uns als eines von 54 afrikanischen Ländern ausgewählt haben!“
Kardinal Ouédraogo nimmt heute Abend auch an der Abschlussveranstaltung der Lebensstil-Kampagne „Gutes Leben. Für alle!“ im Heinrich Pesch Haus teil, die unter dem Titel steht: „Jetzt reicht’s!“
Text/Foto: Brigitte Deiters