Dienstag, 06. September 2016

Hoffnungsvolle Luftballons

Mehr als die berühmten 99 Luftballons stiegen am Sonntag beim Sommerfest der Caritas-Fördereinrichtung Edith Stein in den Himmel über Blieskastel auf. Angehängt waren zahlreiche guten Wünsche von den Klienten der Einrichtung für die Finder der Ballons. 

Sommerfest des Caritas-Förderzentrum Edith Stein in Blieskastel

Blieskastel. Noch hat die Bar nicht geöffnet. Auf dem Weg zum großen Saal, wo der Gottesdienst beim Sommerfest des Caritas-Förderzentrum Edith Stein in Blieskastel gefeiert wird, lässt sich aus dem Augenwinkel schon erkennen, welche alkoholfreien Genüsse auf die Gäste des Sommerfestes warten. Ein „Flotter Peifer“ oder ein „Roter Pälzer“, eine Mischung hinter der sich Kirsch- und Bananensaft verbirgt. Sommerliche Mischungen, auch wenn ausgerechnet an diesem Sonntag der Herbst mitten in den Altweibersommer hinein einen nassen Gruß schickt. Der Stimmung beim Sommerfest tut das keinen Abbruch.

„Heute morgen um 8.30 Uhr war ich mir noch sicher, dass wir komplett draußen feiern können“, sagt Einrichtungsleiterin Claudia Bunk. Bis der Tiefausläufer mit viel Nass vorbeizog. Improvisieren, anpacken – im Caritas-Förderzentrum Edith Stein können sie das bekanntermaßen – hieß es deshalb für alle fleißigen Helfer. Kurzerhand wur-de das Fest ins Haus verlegt. Soweit möglich, Pizza backen unterm Vordach. Die Zelte über den Flohmarktständen schützen nun vor Regen, statt vor Sonne.

An diesem Sonntag dürfen die Klienten des Förderzentrums, Menschen mit seelischer Behinderung, und alle Gäste im Anschluss an den Gottesdienst Luftballons steigen lassen, an denen Herzen hängen. Auf die papiernen Herzen schreiben die Gottesdienstbesucher das, was sie dem Finder des Luftballons wünschen. Sie geben damit auch einen Einblick in ihr Gefühlsleben. Freude, Glück und Gesundheit wün-schen viele. Einer empfiehlt dem Finder nie zu vergessen, „dass auch der schlechteste Tag im Leben nur 24 Stunden hat“. Die Botschaft, dass der Finder seinem Herzen folgen solle, auch wenn der Verstand etwas anderes fordere, wird gleichfalls in den Himmel über Blieskastel aufsteigen. Keine Angst zu haben, wünscht ein Klient dem Finder und schiebt aus eigener Erfahrung traurig nach: „Die hat man leider jeden Tag“.

Pfarrer Eric Klein schlägt den musikalischen Bogen zur großen Luftballon-Aktion. Mit dem Lied von Reinhard Mey, der weiß, dass „Über den Wolken“ die Freiheit grenzenlos sein muss, wird der Gottesdienst beendet, die Flug-Schau eingeläutet. „Wir wollen die draußen gemeinsam fliegen lassen“, instruiert Bunk die Ballonträger. Es ist kurz nach Mittag. Just als die Luftballons aufsteigen sollen, dreht Petrus die Dusche auf. Ein Schauer der intensiveren Art geht über dem Förderzentrum nieder. Das hält die Klienten, Mitarbeiter und Sommerfest-Gäste nicht davon ab, ihre bunte Schar an gu-ten Wünschen auf den Weg zu bringen. Bunk zählt den Countdown runter und auf Kommando sorgen rote, blaue, weiße, gelbe Luftballons für bunte Farbtupfer am grauen Himmel über der Saarpfalz. Jemand scheint sich besseres Wetter gewünscht zu haben. Der Regen hört auf.

Im Büro der Einrichtungsleiterin werden die Bons für Essen und Getränke ausgegeben. Die Bar hat jetzt geöffnet. Vor dem Haus bildet sich eine lange Schlange hungri-ger Gäste. Pizzastück um Pizzastück, Nudelgericht um Nudelgericht wird ausgegeben. Die Temperatur steigt. Essen im Festzelt ist problemlos möglich. Dabei kann auch über das Förderzentrum gesprochen werden. 45 stationäre Plätze bietet es und einen ambulanten Dienst. 18 Plätze gibt es in sechs Außenwohngruppen. Für Menschen, bei denen beispielsweise Psychosen, Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkran-kungen diagnostiziert wurden, sind 25 hauptamtliche Mitarbeiter, von Psychologen über Heilerzieher bis hin zu Krankenschwestern, und zehn Auszubildende da. So selbstbestimmt wie möglich, sagt Claudia Bunk, sollen die Klienten ihr Leben leben können. Deshalb gibt es keine festen Zeiten für Frühstück oder Mittagessen. „Wer Hunger hat, soll dann essen“, zeigt Bunk auf, was ein kleiner Baustein im Rahmen der Selbstbestimmung eines Menschen sein kann.

Das Sommerfest, sagt Bunk, sei eine von mehreren Möglichkeiten, bei der sich die Klienten, deren Angehörige, soweit noch vorhanden, treffen und miteinander Zeit verbringen können. Allein zu sein, zu vereinsamen, wenn nicht der Kontakt zum Förderzentrum da wäre, wäre für viele Klienten ein alltägliches Problem. Deshalb freut sich Bunk, dass es jetzt gelungen ist, Wohnräume mitten in der Fußgängerzone in Blieskastel zu finden, um dort eine Außenstelle zu eröffnen. Mitten in der Stadt, das bedeutet auch mitten im Leben, „und das war schon immer ein Traum von mir“, bekennt sie. Noch wird renoviert. Eröffnung demnächst.

Kunst ist ein gutes Mittel, um die Menschen zusammenzubringen, dachte sich auch Heilerziehungspfleger Fabian Walter. Als ihm während der Ausbildung eine Projektaufgabe gestellt wurde, lag für den begeisterten Hobbymusiker nahe, „dass es etwas mit Musik zu tun haben soll“. So gründete er kurzerhand gemeinsam mit Klienten die Rockband „No Cars“ - „weil ja alle kein Auto haben“, ist Bunk von der Namenswahl und von der Band begeistert. „Das ist eine richtige Rockband“, sagt sie. „Knockin on heaven’s door“, verrät Walter, ist das Lieblingsstück der Band, die auch neue deutsche Welle kann. Seine Bandkollegen, die Freunde geworden sind, haben es ihm beigebracht in regelmäßigen Proben. Die haben sich gelohnt, wie die begeisterte Reaktion des Publikums zeigt. Den derzeitigen Proberaum muss die Band aufgeben, ein neuer Raum wird gesucht, um weiter gemeinsam Musik zu machen und der möglichen Einsamkeit und Kontaktlosigkeit ein Schnippchen zu schlagen.
Das gelingt auch Laura Ruppenthal, die gerade ihre Ausbildung beendet hat. Statt zu Mikro und Gitarre greift sie gemeinsam mit Klienten zu Farbpalette und Pinsel. Die Bilderausstellung beim Sommerfest zeigt, welches Talent in vielen schlummert.

Text/Foto: Caritasverband Diözese Speyer