Mittwoch, 10. Februar 2021

„Polizei muss Ansehen und Vertrauen verteidigen“

Professor Christoph Kopke 

Professor Christoph Kopke über Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei

Rassistische und rechtsextremistische Haltungen in der Polizei: Handelt es sich um Einzelfälle oder um ein strukturelles Problem? Diese Frage beleuchtete Christoph Kopke, Professor für Politikwissenschaft und Zeitgeschichte an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Er betrachtete das Thema sehr differenziert, malte kein Schwarz-Weiß-Bild. Rund 35 Teilnehmende verfolgten den Online-Vortrag am Dienstagabend. Kopke referierte auf Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung Bistum Speyer (KEB), des Heinrich-Pesch-Hauses - Katholische Akademie Rhein-Neckar und der Speyerer Dompfarrei Pax Christi.

Insbesondere in den letzten Jahren berichteten die Medien immer wieder über rassistische und rechtsextremistische Vorfälle in der Polizei: Bis erkannt wurde, dass hinter der Mordserie der NSU steckt, ermittelten die Behörden zunächst ausschließlich im Umfeld der Opfer und erst spät in Richtung Rechtsextremismus. Andere Beispiele sind E-Mails des so genannten NSU 2.0, mit denen Anwältinnen und Anwälte sowie Politiker bedroht wurden. Die Mails offenbarten, dass Daten von Polizeirechnern abgegriffen wurden. Zudem sind Chatgruppen bekannt, in denen Polizistinnen und Polizisten rechtsextreme Inhalte austauschen.

Woher kommen diese Haltungen? Fördert der Polizeidienst gar extreme Haltungen? Eine mögliche Ursache sieht Kopke in Ohnmachtserfahrungen gegenüber bestimmten Situationen und Menschen. Zudem seien viele Beamtinnen und Beamte wertkonservativ, die unter bestimmten Umständen anfällig werden könnten für autoritäre Politikkonzepte und Haltungen. Das kann bis zum Rechtsextremismus gehen, räumte er ein. Kopke betonte gleichzeitig, dass viele engagiert die Demokratie verteidigen.

Verschiedene Erklärungen für rassistische und rechtsextremistische Vorfälle in der Polizei hält Kopke für nicht stichhaltig und wies sie als Rechtfertigungsversuche zurück. Sie besagen, dass rassistische und rechtsextremistische Tendenzen nur von außen der Polizei „angedichtet“ werden, dass es sich nur um Einzelfälle handelt oder: Die Polizei ist nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, in der es auch rassistische und rechtsextremistische Haltungen gibt.

Nach Kopkes Einschätzung handelt es sich weder um Einzelfälle noch um eine erkennbare Struktur im Sinne fester rechtsextremer Netzwerke. Aber wie groß ist das Problem tatsächlich? Das wissen wir nicht, denn es mangelt an Daten, bestätigte Kopke eine Wortmeldung aus dem Teilnehmerkreis. Er sprach davon, dass die Polizei Studien skeptisch gegenüberstehe und fürchte, pauschal verurteilt zu werden. Dies sei aber ein Missverständnis innerhalb der Polizei.

Als „schwieriges Feld“ und „leicht missverständliches Thema“ bezeichnete Kopke vermeintlich rassistisch motivierte Personenkontrollen. Er stellte klar, dass die Polizei bestimmte Verdachtsmomente brauche, um Menschen zu kontrollieren. Das dürften nicht allein äußere Merkmale wie Hautfarbe oder Zeichen einer ethnischen Zugehörigkeit sein. Gleichzeitig könnten sich Verdachtsmomente ergeben, wenn sich Personen an Orten aufhalten, wo der Polizei bekannte Tätergruppen aktiv sind. Diese Verdachtsschöpfung werde von Betroffenen als rassistisch erlebt, so Kopke.
Er fürchtet, dass es auch künftig rassistische und rechtsextreme Vorfälle geben wird. Die Behörden sollten solche Vorwürfe nicht abwehren, sondern annehmen und aufarbeiten. „Es ist wichtig, dass sich die Polizei einem schwindenden Vertrauen entgegenwirkt und sich den Fragen schonungslos stellt.“ Rechtsextremismus müsse in den eigenen Reihen in manchen Bundesländern viel deutlicher angegangen werden.

Dennoch besitze die Polizei noch immer noch ein hohes Ansehen, das sie aber verteidigen müsse und dies bereits tue. Vor allem durch die NSU-Ermittlungen sei Vertrauen verloren gegangen. Viele seien sich dessen bewusst, steuerten dagegen. So würden beispielsweise immer häufiger rassistische und rechtsextremistische Verfehlungen innerhalb der Polizei von Beamtinnen und Beamten selbst angezeigt.

Der Referent erklärte, dass die Polizeiführungen der Länder eine wichtige Rolle spielen. Sie müssten das Problem im Blick behalten und zum Beispiel mit Fortbildungen gegensteuern, um interkulturelle Kompetenz und Toleranz zu stärken.

Text: Yvette Wagner/Foto: FOEPS/Sven Lüders