Donnerstag, 11. Mai 2017

„Gemeinsam sind wir stark“

Unter Anleitung des Schauspielers und Theaterpädagogen Michael Müller (rechts) entwickelten die Workshop-Teilnehmer ein Theaterstück. 

Theaterworkshop der Seelsorge für Menschen mit Behinderung in der Bildungs- und Freizeitstätte Heilsbach

Schönau. „Gemeinsam sind wir stark“ war das Motto des angebotenen dreitägigen Seminars der Seelsorge für Menschen mit Behinderung der Diözese Speyer in der Heilsbach. „Gemeinsam sind wir stark“ ist auch der Titel des Theaterstücks, das die 22 Teilnehmer - darunter 11 Rollstuhlfahrer und Menschen mit anderen Behinderungen  sowie ihre Betreuer – an diesem Wochenende gemeinsam entwickelt haben.

Unter Anleitung des Schauspielers und Theaterpädagogen Michael Müller entstand ein Stück in vier Akten, das die Familie, die Natur, das Lachen und die Schutzengel thematisierte. Dabei erwiesen sich manche Szenen als völlig surreal, so wie die Begegnung zweier Familien im Wald, die sich einzig aufgrund der Ohrläppchen, der Hände und der Augen wiedererkannten. Andere Szenen schienen unmittelbar aus dem Leben gegriffen, so wie die, wo ein Mensch einen Rollstuhlfahrer verhöhnt, der sich daraufhin weit über den vermeintlich Gesunden bedrohlich erhebt, indem er seinen Rollstuhl bis zum Anschlag in schwindelerregende Höhe ausfahren lässt. „Shit-Egal, welches Handicap jemand hat, jeder kann sich mitteilen und das macht das Theater möglich“, erklärte Müller.

Immer wieder ließ er die Teilnehmer ihre Gefühle, die sie beim Spielen ergriffen hatten, in Worte fassen. Dabei wurde deutlich, dass es selbst auf der Bühne schwer fällt, sich aggressiv zu zeigen, wenn man ein Leben lang erzogen wurde, auch die andere Wange hinzuhalten. „Aber am Ende tat es gut, diese Aggressionen einmal raus zulassen“, erklärte ein Teilnehmer. Die Essenz einer heftig geführten Diskussion auf der Bühne war am Ende, dass man dem anderen gar nicht mehr zuhören kann, wenn man auf Krawall gebürstet ist. „Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, dem anderen zuzuhören“, erklärte ein Teilnehmer.

Das Theaterspielen half aber auch allen - denen mit, aber auch denen ohne Handicap - sich ihres Körpers wieder vollkommen neu bewusst zu werden. Während sie am Anfang alle mit dem Kopf begonnen hatten zu spielen, gelang es ihnen mit jeder weiteren Probe, das Thema zu verinnerlichen und ihren Körper voll und ganz in das Spiel mit einzubringen. Dabei gelang es der Gruppe immer mehr zusammenzuwachsen und zu einer Einheit zu verschmelzen – ohne dass dabei der Einzelne verloren ging.

Spannend auch die vielen kleinen Spiele, die Müller zwischen den einzelnen Proben immer wieder inszenierte. So versteckte er ein „kleines Geheimnis“ zwischen seinen, zu kleinen Schalen gewölbten Händen, gab es ganz vorsichtig an seinen Nebenmann weiter, der es dann wiederum weiter reichte. Am Ende landete es wieder bei Müller, der es aufsteigen ließ in den Himmel – und jeder winkte dem kleinen Geheimnis nach, das inzwischen sein ganz persönliches geworden war.

Die Teilnehmer zeigten sich begeistert von Müller, der für die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg arbeitet. Aber auch der Theaterpädagoge war zufrieden mit seinen Schülern, die an diesem Wochenende zum Teil weit über ihre Grenzen gegangen waren. Auch die Betreuer konnten aus diesem Wochenende viele neue Erfahrungen für ihren Beruf und die Arbeit mit behinderten Menschen mit nach Hause nehmen.

Für den Seelsorger für Menschen mit Behinderung der Diözese Speyer, Stefan Dreeßen, der diese Seminare bereits seit Jahren zu den unterschiedlichsten Themen immer wieder in der Heilsbach anbietet und dafür stets außergewöhnliche Referenten engagiert, war dieses Wochenende erneut eine Bestätigung, dass Angebote wie diese stark nachgefragt sind. Zahlreiche Teilnehmer gehören inzwischen bereits zu den Stammgästen seiner Seminare. Unvergessen ist vielen das Wochenende zum Thema Humor mit der Clownin Kuschel, aber auch das Seminar „Hab keine Angst“, in dem der contergangeschädigte Förderschullehrer Alexander Broll, der ein Aikido Dojo in Landau leitet, die Rollstuhlfahrer in Selbstverteidigung unterrichtete. 

Text: Lilo Hagen/Foto: Stefan Dreeßen