Freitag, 23. Juni 2017
Pastoral hinter dem Horizont

Wege in die Zukunft von Kirche diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Tagung in Obernai.
Dreitägige Tagung der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz in Erfurt (KAMP) und des Bistum Speyer
Obernai. Gemeinsam mit der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz in Erfurt (KAMP) hat das Bistum Speyer unter dem Titel „Pastoral hinter dem Horizont“ eine dreitägige Tagung ausgerichtet. Über dreißig Pastoraltheologen, Seelsorgeamtsleiter, kirchliche Organisationsentwickler und Verantwortliche ungewöhnlicher pastoraler Felder waren eingeladen, auf dem Mont Sainte Odile bei Obernai im Elsaß ihre Erfahrungen, Visionen und Projekte für eine Kirche der Zukunft zusammen zu tragen. Inhaltlich geleitet wurde die Tagung von Dr. Hubertus Schönemann (KAMP) und Dr. Peter Hundertmark (Speyer). Unterstützt wurden sie von Theres Spirig-Huber und Thomas Berger-Holzknecht als spirituelle Prozessbegleiter. Als Veranstalter begrüßte für das Bistum Speyer Domkapitular Franz Vogelgesang die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die angereisten Katholiken, Protestanten und Mitglieder von Freikirchen.
Die Tagung ging nicht nur bei der Auswahl der Teilnehmenden, sondern auch bei der Gestaltung ungewohnte Wege. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren zwar gebeten worden, im Vorfeld einander über eine speziell eingerichtete Internetseite thematische Impulse zur Verfügung zu stellen, während der Tagung selbst wurden jedoch keinerlei Vorträge oder vorbereitete Workshops gehalten. Vielmehr wurden nur ein Rahmen und eine Zeitstruktur zur Verfügung gestellt, die es den Anwesenden erlaubten, sich immer wieder neu in Arbeitsgruppen zusammen zu finden. Jede Arbeitsphase begann deshalb damit, dass die Teilnehmenden selbst Themen und Fragestellungen vorstellten und andere Teilnehmer zur Mitarbeit einluden. Auf diese Weise konnten die Vielfalt der Ansätze und Ideen, die Unterschiedlichkeit der Interessen und Traditionen sich voll entfalten und miteinander in ein kreatives Geschehen münden.
Gemeinsame Entwicklung von Ideen und Projekten
Spirituelle Impulse, konzentrierte Unterbrechungen, hohe Achtsamkeit für die gruppendynamischen Prozesse… und ein weitgehend hierarchiefreier Raum machten eine solche Arbeitsweise möglich und fruchtbar. So konnte Sebastian Mutke, Anfang dreißig, Pastoralreferent in einer Pfarrei und Männerseelsorger im Bistum Osnabrück „auf Augenhöhe“ mit Dr. Jochen Wagner, Pastor einer Freien Evangelischen Gemeinde und Vorsitzender der ACK-Südwest, mit Dr. Friederike Maier, Seelsorgeamtsleiterin im Bistum Magdeburg, mit Angelika Lang, Gefängnisseelsorgerin in Dresden und Initiatorin des christlichen Netzwerks der Gefangenenhilfe „Set free“, mit Klemens Armbruster, Pfarrer in der Nähe von Freiburg, Verantwortlicher für Erwachsenenkatechumenat und Autor von Glaubenskursen, mit Prof. Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld, Professor für Praktische Theologie der Hochschule NRW in Paderborn, mit Dr. Sandra Bils, Pfarrerin der evangelischen Landeskirche Hannover und Co-Verantwortliche der Initiative „Kirche hoch zwei“… gemeinsam und von gleich zu gleich, Ideen entwickeln, Projekte diskutieren, Wege in die Zukunft von Kirche andenken.
Ergebnisse werden in einem Aufsatzband veröffentlicht
Gesichert und veröffentlicht werden die Ergebnisse in einem Aufsatzband, den die Arbeitsstelle der Bischofskonferenz in Erfurt herausgeben wird. Alle Teilnehmer haben aus den Beratungen und Lernprozessen der Tagung heraus jeweils wenigstens einen Beitrag zugesagt. Das Spektrum der angemeldeten Themen reicht dabei von „Migrantinnen und Migranten als Rückgrat von Pastoral in Deutschland?!“ über „Voraussetzungen geistlicher Prozesse für die Kirchenentwicklung“ und „Relevanzerwartungen an Glaube bei postmodernen Menschen“ bis zu „Versuchen, Zugehörigkeit ohne Gemeinschaft und Gemeinde zu denken“. Darüber hinaus konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Tagen auch ganz konkrete Schritte und praktische Umsetzungsideen für ihren jeweiligen pastoralen Verantwortungsbereich entwickeln und mit nach Hause nehmen.
Einen wichtigen Beitrag zu dieser gelungenen Denkwerkstatt leistete auch der Ort selbst. Das Bildungshaus des Erzbistums Strasbourg auf dem Mont Sainte Odile, auf fast 800 Metern über der Rheinebene gelegen, öffnet einen phantastisch weiten Horizont. Es ermöglichte den Teilnehmern auch ganz praktisch, einen Schritt aus der alltäglichen Arbeit zurück zu treten und einen frei schweifenden Blick von außen auf die pastorale Situation in Deutschland und die kommenden Veränderungen zu werfen. Verehrt wird an dieser großartigen Pilgerstätte die Heilige Ottilie, Gründerin und Äbtissin des Klosters im 8. Jahrhundert, von der erzählt wird, dass durch sie Gott in einem Wunder einem Erblindeten das Augenlicht zurückgab. Der Gebetsruf „Mein Gott, öffne mir die Augen!“ steht deshalb über der Tür zur Wallfahrtskirche. Dieser Ruf wurde auch zu Motto und gelebter Erfahrung der Tagung „Pastoral hinter dem Horizont“.
Text: Peter Hundertmark/Foto: Elaine Rudolphi