Freitag, 15. September 2017

Eine „Win-Win“-Situation für alle

Auch in der Altenpflege sind "Bufdis" tätig. 

Seit eineinhalb Jahren bietet der Caritasverband für die Diözese Speyer den neuen Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug an - Positive Zwischenbilanz

Speyer. Seit sechs Jahren können sich im Bundesfreiwilligendienst Menschen in einer Einrichtung des Gemeinwohls engagieren. Es gibt den Bundesfreiwilligendienst 27+ für Menschen ab 27 Jahren und den Bundesfreiwilligendienst u27 für Menschen zwischen 16 und 26 Jahren. Nun kam im vergangenen Jahr das bundesweite, auf drei Jahre befristete Projekt Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug (BFDmF) dazu. In der Diözese Speyer sind die Erfahrungen positiv. Referentin Nadja Franz vom Referat Freiwilligendienst im Caritasverband Speyer zieht Zwischenbilanz.

„Sich fürs Gemeinwohl zu engagieren sowie berufliche und soziale Kompetenzen zu erwerben, das ermöglicht der Bundesfreiwilligendienst.  Inzwischen steht er auch für Integration und interkulturelle Öffnung, denn mit dem Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug wurden die Einsatzmöglichkeiten erweitert“, erzählt Referentin Nadja Franz.  „Jetzt können sich Interessierte auch in Einrichtungen oder Projekten engagieren, in denen geflüchtete Menschen betreut werden. Zudem können sich Geflüchtete selbst im Bundesfreiwilligendienst engagieren.“ 

„Es läuft gut“, zieht Nadja Franz ein positives Resümee. „In der ersten Phase ging es darum, das Projekt bekannt zu machen. Jetzt gibt es immer mehr Einrichtungen, die verstärkt den Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug nachfragen“, berichtet die Caritas-Mitarbeiterin, die als Ansprechpartnerin in der Diözese Speyer den künftigen Freiwilligen sowie den Einrichtungen zur Verfügung steht: „Man merkt, dass das Projekt ankommt und für Freiwillige, Mitarbeiter und Einrichtungen in der Regel eine Win-Win-Situation darstellt.“ 

Für Geflüchtete biete der Bundesfreiwilligendienst die Möglichkeit, in sozialen  Einrichtungen Einblicke in den Arbeitsalltag zu bekommen und die hiesige Arbeitsstruktur kennenzulernen. „Dabei ist es ein Ziel, dass möglichst viel Deutsch gesprochen wird – das ist der größte Nebeneffekt, dass sie ihre Sprachkenntnisse erweitern und festigen, neue soziale Kontakte knüpfen, sich neue Netzwerke auftun“, erklärt Nadja Franz. 

Interessierte am BFD mit Fluchterfahrung würden in der Regel nicht in Projekten der Flüchtlingshilfe eingesetzt, um ihnen ein größtmögliches Integrationsmoment abseits der Fluchtthematik zu ermöglichen, betont die Referentin. So habe zum Beispiel ein junger Mann, der bei einem Computerprojekt im Mehrgenerationenhaus in Kaiserslautern mitarbeitete, beachtliche Fortschritte gemacht: „Nachdem er zu Dienstbeginn noch kein Deutsch sprach, telefoniert er bereits nach wenigen Monaten im Dienst in deutscher Sprache.“ 

Mittlerweile betreut und begleitet Nadja Franz 14 Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug, zehn haben Fluchterfahrung, vier keinen Fluchthintergrund, jedoch zwei von ihnen Migrationshintergrund. Die Geflüchteten kommen hauptsächlich aus Syrien, aber auch aus Ägypten, Kamerun und Afghanistan. Für sie bringe der Freiwilligendienst nicht nur bessere Sprachkenntnisse, sondern auch eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins.

„Der BFD kann ein Einstieg ins Arbeitsleben sein, ein Sprungbrett, um Arbeit zu finden, oder eine Orientierungs- und Lernphase“, hebt die Referentin hervor. Bundesfreiwillige sind stark in ihre Einsatzstelle eingebunden, haben  festgelegte Dienstzeiten über die Dienstvereinbarung, erhalten ein so genanntes Taschengeld, sind sozialversichert, nehmen an themenspezifischen Bildungsseminaren teil und erhalten zum Dienstende ein berufsqualifizierendes Zeugnis.

Der erste Geflüchtete hat seinen Dienst inzwischen abgeschlossen und wurde direkt im Anschluss in seiner Einsatzstelle in die Ausbildung als Heilerziehungspfleger übernommen. Dies soll kein Einzelfall bleiben. Einige Einrichtungen sehen bereits die Möglichkeit, Geflüchtete in ein Ausbildungsverhältnis zu übernehmen. 

Dass der Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug ein Gewinn für beide Seiten ist, kann Nadja Franz bestätigen. Die Befürchtung mancher Einrichtung, dass es bei der Begegnung mit Geflüchteten zu Vorurteilen kommt, sei nicht eingetroffen. Sie weiß von mehreren Fällen, in denen die persönliche Begegnung mit Geflüchteten als große Bereicherung empfunden wurde. Die Referentin hat zudem die Rückmeldung bekommen, dass die Freiwilligen einen Gewinn für die Einrichtung und die Mitarbeiter darstellen. 

Auch die Freiwilligen empfinden ihren Dienst als wertvolle Erfahrung und einen Zugewinn an beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Dies ist die Meinung von Seidou und Kamiran, die Flucht- und Migrationshintergrund haben und zurzeit einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Der 19-jährige Seidou kam vor drei Jahren als unbegleiteter Flüchtling ursprünglich aus Kamerun nach zweijähriger Flucht in Deutschland an. „Ich bekam nach meinem Hauptschulabschluss keinen Ausbildungsplatz“, berichtet der junge Mann. „Ich dachte mir, ich mache lieber den Bundesfreiwilligendienst, als zu Hause zu bleiben. Seit August vergangenen Jahres  arbeitet der 19-Jährige im Caritas-Altenzentrum St. Ulrich in Neustadt in der Tagespflege mit. Er hilft bei der Essensausgabe, spielt „Mensch ärgere dich nicht“ und andere Gesellschaftsspiele mit den Bewohnern, ist bei kreativen Malangeboten an der Seite der Senioren,  assistiert bei der Gymnastik, begleitet die Bewohner, die Hilfe brauchen, beim Toilettengang oder hat auch einfach Zeit für ein Gespräch mit den alten Menschen. 

„Ich habe schon viel gelernt – das ist wie eine Ausbildung“, sagt er zu seiner Tätigkeit im Altenzentrum. Darüber hinaus habe er auch seine Deutschkenntnisse verbessert: „Ich habe viel gelernt. Wenn man Deutsch kann, ist das ein großer Vorteil für die Integration.“ Der Bundesfreiwilligendienst sei eine gute Sache, wenn auch nicht einfach, räumt er ein. Insgesamt ist er überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war:  „Es macht Freude, ich arbeite gern und ich gehe gerne hin.“ Wie es weitergeht, wenn der BFD im August zu Ende geht, sei noch offen, aber er habe schon verschiedene Möglichkeiten im Blick.

Für seine Fertigkeiten in Deutsch habe der Bundesfreiwilligendienst sehr viel gebracht, berichtet auch Kamiran. Der 26-Jährige kam vor knapp zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland und ist seit rund zehn Monaten Bufdi in Kaiserslautern. Zunächst war er im Mehrgenerationenhaus tätig, nun ist er im Caritas-Zentrum Kaiserslautern im Einsatz, wo er bei der Unterstützung der Ehrenamtlichen mithilft. „Ich fühle mich wohl, man kann auch etwas geben und nicht nur nehmen“, sagt er zu seine Arbeit. „Super“, lautet daher sein Fazit. 

Im Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug engagieren sich auch Menschen ohne Fluchterfahrung. Einer von ihnen ist Matthias Rinck. Der 20-Jährige hatte im vergangenen Jahr in Landau die Schule abgeschlossen und wollte danach etwas machen, was nichts mit der Schule zu tun hat: „Für den Bundesfreiwilligendienst  mit Flüchtlingsbezug in der Flüchtlingshilfe habe ich mich entschieden, weil es zu dieser Zeit noch ein Riesenthema war und ich nicht mehr nur darüber reden, sondern etwas für das Gelingen bei der Aufnahme von Flüchtlingen tun wollte." 

Seit Anfang Oktober arbeitet der 20-Jährige für ein Jahr im Caritas-Zentrum in Landau vor allem im Fachbereich Migration und Integration mit, wird aber auch in anderen Bereichen eingesetzt. Seine Tätigkeiten sind vielfältig und seine Erfahrungen durch den Kontakt mit Flüchtlingen ebenso, berichtet Matthias Rinck. 

Er ist dabei, wenn die Fachreferentin Geflüchtete berät. Seine Aufgaben sind das Ausfüllen von Visumsanträgen und das Ausgeben von Hilfsgeldern. Zudem ist Matthias Rinck dabei, wenn sich Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit treffen. Im vergangenen Herbst hatte das Caritas-Zentrum Landau zu einem interkulturellen Abend für Geflüchtete und Ehrenamtliche eingeladen, bei dem auch Matthias Rinck mithalf: „Ich habe Anmeldungen entgegengenommen, Namensschilder gebastelt und bei der Organisation und Durchführung des Programms geholfen.“ Auch den Flyer für den Abend hat er erstellt, inzwischen sind weitere Flyer für andere Projekte dazugekommen. Inzwischen hat er auch schon mehrere Artikel für die Internetseite der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit geschrieben: „Außerdem habe ich beim Aufbau einer LOS-Landau-Facebookseite geholfen und halte sie auf dem Laufenden“, berichtet Matthias Rinck.  Ein wichtiger Bereich sind auch die Sprachkurse gewesen, bei denen er mit Flüchtlingen Deutsch trainiert hat. Eine besondere Erfahrung für den jungen Mann, denn: „Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich die Inhalte rüberbringen kann, so dass die Menschen es auch verstehen.“  Tatsächlich hätten die Kurse gut geklappt. Gefreut habe ihn auch die Rückmeldung der Fachreferentin, die ihm bestätigt hatte, dass seine Schüler Fortschritte in der Sprache machen. 

„Das Bild, das man von Flüchtlingen hat, ändert sich, wenn man nicht nur Zahlen kennt, sondern dazu auch Gesichter und Geschichten“, berichtet der 20-Jährige. Es gebe nicht  „die Geflüchteten“, sondern „die Menschen sind genauso verschieden wie wir auch“, ist seine Erfahrung. Er hat auch Schicksale erlebt, vor allem wenn es um Abschiebung ging.  Davon in den Nachrichten zu hören, sei eine Sache. „Jetzt kenne ich Menschen, die von Abschiebung bedroht sind und denen wir helfen, sich dagegen zu wehren. Das ändert einiges“, erklärt Matthias Rinck.

Den Bundesfreiwilligendienst würde er auf jeden Fall weiterempfehlen, ebenfalls den Dienst mit Flüchtlingsbezug: „Es hilft auch dabei, Vorurteile als solche zu erkennen und ein wahrheitsgetreues Bild von Geflüchteten zu erhalten, ohne Beschönigung, aber auch ohne Diffamierung.“  

Wer sich für den Bundesfreiwilligendienst interessiert, bekommt Infos beim Caritasverband für die Diözese Speyer unter www.caritas-speyer.de und bei den Mitarbeiterinnen persönlich bzw. per E-Mail: 

Referat für Freiwilligendienste
Caritasverband für die Diözese Speyer e.V.
Nikolaus-von-Weis-Straße 6
67346 Speyer

Nadja Franz 
Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug
Telefon 06232 / 209- 204
bfd@caritas-speyer.de

Anne Benz
Bundesfreiwilligendienst U27 (für unter 27-Jährige)
Telefon 06232 / 209-167
bfd@)caritas-speyer.de

Sabine Ihrig
Telefon 06232 / 209-151
bfd@caritas-speyer.de 

Susanne Herbrand
Bundesfreiwilligendienst 27+ (Für über 27-Jährige)
Telefon 06232 / 209-168
bfd@caritas-speyer.de 

Text/Foto: Caritasverband Diözese Speyer