Mittwoch, 27. April 2022
“Wer sein Kind vermisst, kann sich schlecht integrieren“

Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt und Elisabeth Traunmüller, Leiterin des Caritas-Zentrums Landau
Staatsminister Tobias Lindner besucht Caritas-Zentrum Landau – Lob für Hilfsbereitschaft der Südpfälzer für ukrainische Geflüchtete
Landau. Die aus der Arbeit des Landauer Caritas-Zentrums für und mit Menschen mit Migrationshintergrund gewonnenen fundierten Kenntnisse und Erfahrungen bildeten den Schwerpunkt eines informativen Austauschs zwischen der Einrichtungsleiterin Elisabeth Traunmüller und dem Staatsminister im Auswärtigen Amt Dr. Tobias Lindner. Lindner, der auch als Südpfälzer Abgeordneter der Grünen im Bundestag sitzt, hatte das Caritas-Zentrum in der vergangenen Woche besucht, um sich über dessen Arbeit eingehend zu informieren.
Die Migrations- und Integrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Migrationsfachdienst sind zentrale Aufgaben, die der Caritasverband zur Unterstützung von Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, in der Südpfalz übernommen hat. Er bietet sie hier über die Caritas-Zentren Landau und Germersheim an. Die allgemeinen Erfahrungen und aktuellen Herausforderungen in diesen Diensten - und speziell die Aufnahme vieler vor dem Krieg aus der Ukraine geflohener Menschen in der Region - waren die Hauptthemen des „offenen und vertraulichen Gesprächs“ zwischen ihr und Lindner, berichtet Elisabeth Traunmüller. „Wie ist die Situation vor Ort? Wo gibt’s Schwierigkeiten? Was ist förderlich für die Integration?“
Als Problem für gelingende Integration allgemein sei dabei die schwierige und langwierige Realisierung des Familiennachzugs erörtert worden. Lindner sei sich mit ihr einig gewesen, dass eine Verkürzung der Verfahren unbedingt angestrebt werden müsse. „Wer etwa sein Kind irgendwo am Ende der Welt weiß, es vielleicht seit zwei Jahren schmerzlich vermisst, kann sich schlecht integrieren, ist schlicht psychisch kaum in der Lage dazu“, erläutert Traunmüller als Beispiel. Ein wesentlicher Beitrag dazu sei die Beschleunigung der Visa-Beschaffung. Neben der Vereinfachung der Verfahren sei auch eine Optimierung der Terminvergabe durch die deutschen Botschaften, die für die Visumserteilung zuständig seien, hilfreich. Die Notwendigkeit solcher Verbesserungen habe Lindner, zu dessen Zuständigkeitsbereich als Staatsminister im Auswärtigen Amt die Botschaften gehören, ausdrücklich anerkannt.
Sehr interessiert habe sich der Politiker für die Situation vor Ort angesichts der Ankunft und Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine, berichtet die Leiterin des Caritas-Zentrums weiter. Und er habe die große Hilfsbereitschaft der Südpfälzer mit Anerkennung und großem Lob gewürdigt. Angesprochen worden seien aber auch die speziellen Herausforderungen für die Flüchtlinge selbst und ihre Unterstützer. Ein bedrückender Faktor sei dabei die Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal, das zum Gutteil natürlich von den Entwicklungen in der Ukraine abhängt. Sollten sie für einen längeren Zeitraum in ihrem Gastgeberland bleiben müssen, müssten auch hier umgehend die Integrationsverfahren vereinfacht werden, seien sich beide Gesprächspartner einig gewesen. Da seien im Interesse einer Integration in den Arbeitsmarkt nicht nur Hemmnisse wie die Sprach- und im Falle der Ukrainer ja auch die Schriftbarriere zu überwinden, sondern auch die Anerkennung von Bildungsabschlüssen zu beschleunigen. Ein weiterer Aspekt, der die Vereinfachung der Verfahren dringlich erscheinen ließe, sei der Beschluss der Bundesregierung, nach dem ukrainische Geflüchtete ab Juni einen Anspruch auf Grundsicherung bei den Jobcentern haben. „Hier bleibt abzuwarten, wie die Jobcenter den kurzfristig ziemlich kräftigen Kundenzuwachs werden bewältigen können“, findet Traunmüller. Auch darüber habe sie sich mit Lindner ausgetauscht.
Text/Foto: Henning Wiechers für den Caritasverband für die Diözese Speyer / Paul van Schie