Donnerstag, 23. Oktober 2025
So nah am Gletscher
Hüttenwanderung der Katholischen Hochschulgemeinde
Österreich. „Was für mich heraussticht ist wohl die Einfachheit, in der man lebt. Dadurch lerne ich, mich wieder auf das Wesentliche zu besinnen“, erzählt Lena, die in Germersheim Dolmetschen studiert und bei der KHG Hüttentour in den Hohen Tauern mit dabei ist. Wir sind sechs Tage auf dem Venediger Höhenweg unterwegs von Hütte zu Hütte und in unseren Rucksäcken ist alles drin, was wir brauchen.
Der Aufstieg am ersten Tag aus dem Virgental hat es gleich in sich: vom Parkplatz in Ströden sind es rund 800 Höhenmeter hinauf zur Essener-Rostocker Hütte. Ein erster Test, ob die Schuhe gut passen und die Kondition stimmt. Die Anstrengung lohnt sich, denn schnell tauchen wir in die beeindruckende Berglandschaft Osttirols ein und folgen dem rauschenden Maurerbach – einem von zahllosen Gletscherbächen, die wir auf unserer Tour immer wieder überqueren und bestaunen. In den folgenden Tagen erleben wir viele beglückende Momente: der Blick auf die verschneiten Gipfel in der Morgensonne; Murmeltiere, die auf dem warmen Felsen „Wache halten“; der türkisblaue Eissee, in dem sich die Berge spiegeln (einige Unerschrockene nehmen sogar ein eisiges Bad); die letzten Edelweis des Bergsommers; die Stärkung am Abend in den gastfreundlichen Alpenhütten. Und immer wieder und allgegenwärtig das prägende Element: Wasser! „Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Wasser. Sehr nützlich ist sie und demütig und kostbar und keusch.“ Diese Strophe aus dem Sonnengesang des Heiligen Franziskus, den wir täglich gemeinsam beten, wird ganz anschaulich: In Gebirgsseen und in kleinen und großen Wasserfällen entlang unserer Route, gefroren im Gletschereis und als satter Tau auf den Gräsern am Morgen – und, da hatten wir Wetterglück, selten auch mal als Regen von oben.
Am letzten Tag steht ein Highlight auf dem Programm: der Aufstieg zum Gletschersee unterhalb des Großvenedigers. In der Nacht hat es bis runter auf 2300m geschneit und als wir am Morgen aufbrechen, liegt in den Schattenlagen noch Raufreif. Mit der Sonne am nahezu wolkenlosen Himmel steigen die Temperaturen schnell und bescheren uns einen traumhaften Bergtag. Nach einer halben Stunde haben wir uns warm gelaufen und halten an: die letzten Morgenrunde in der Gruppe. Für Jasmin machen diese Morgenrunden die KHG Hüttentour besonders: „Wenn wir einfach an einem super schönen Ort die Rucksäcke abgestellt haben und angefangen haben, zusammen zu singen, das hat total Spaß gemacht“, erinnert sich die „Mensch & Umwelt“-Studentin aus Landau.
Gegen Mittag erreichen wir mit ein bisschen Kraxelei unser Ziel, den Gletschersee. Bizarre Eisschollen treiben im milchigen Wasser und um den See hat sich eine karge und kunstvolle Landschaft aus Sand und Geröll gebildet. Die Gletscherzunge reicht kaum noch bis zum See hinunter, lässt aber erahnen, wie mächtig das Eis noch vor ein paar Jahrzehnten gewesen war. An diesem Ort lassen wir uns lange Zeit zum Verweilen – eine Zeit, die vielen der jungen Menschen in Erinnerung bleibt. „Ein unvergesslicher Herzensmoment war es, zum ersten Mal so nah an einem Gletscher zu sein“, erinnert sich Jana, die ebenfalls Psychologie in Landau studiert. „Der Anblick des Gletschers bleibt mir besonders im Herzen – und das Bedauern, dass diese vergehen,“ meint Erik, ein Student an der HWG in Ludwigshafen, nachdenklich. Die Vergänglichkeit so hautnah zu sehen, beschäftigt auch Michael – angehender Sonderpädagoge aus Landau – , der anhand alter Karten die Ausdehnung der Gletscher von früher und heute vergleicht.
Das Gefühl, „so klein und gleichzeitig verbunden mit der Natur zu sein“, wie Jana es beschreibt, „lässt uns staunen und dankbar sein und macht uns gleichzeitig nachdenklich über unseren Einfluss und unsere Verantwortung.“ Das große Thema Klimawandel bekommt mit dem schwindenden Gletscher ein Gesicht, das für viele Menschen, Tiere und Arten spricht, deren Existenz durch den Klimawandel auf dem Spiel steht.
Auf der gemeinsamen Tour von Hütte zu Hütte machen die jungen Menschen Erfahrungen jenseits von Prüfungen und Seminaren. Für einige von ihnen war es das erste Mal, so lange und intensiv im Hochgebirge zu sein. Manches davon wirkt hinein in den Alltag der Studierenden und die Erinnerungen klingen nach – auch dann noch, wenn das Studium eines Tages abgeschlossen sein wird. Jonathan, der in Landau im Fach Psychologie promoviert, resümiert: “Beim Anblick der riesigen Bergwände fühle ich mich sehr klein und voller Demut. Wir überqueren nicht den Berg, sondern er lässt uns passieren. Rückblickend, bewegt mich diese Erfahrung zu tiefer Dankbarkeit für unsere Liebsten und Wertschätzung für die Dinge, die wir als selbstverständlich hinnehmen.“
Text/Fotos: Nico Körber, KHG Landau









