Donnerstag, 30. Oktober 2025
„Die Situation ist herausfordernd“

v.l.: Markus Magin, Markus Bennemann, Barbara Aßmann und Theo Wieder informierten in einer Pressekonferenz über die wirtschaftliche Krise des Caritasverbands für die Diözese Speyer. Pressesprecherin Melanie Müller von Klingspor (ganz links) moderierte. © Justine Köhler
Caritasverband in schwieriger wirtschaftlicher Situation – Sanierung gestartet – Bistum sichert Zukunft des Wohlfahrtsverbandes
Speyer. Der Caritasverband für die Diözese Speyer steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, blickt aber zugleich mit Zuversicht in die Zukunft. Nach einer umfassenden Analyse der finanziellen Situation durch die Beratungsfirma TMC Turnaround Management Consult hat der Verband unter der Leitung von Caritasdirektorin Barbara Aßmann und dem Interimsvorsitzenden Markus Bennemann ein Sanierungskonzept eingeleitet, das die wirtschaftliche Stabilisierung bis Ende 2026 sichern soll.
Dank eines Darlehens des Bistums Speyer in Höhe von insgesamt 11 Millionen Euro ist die Fortführung des Verbandes gewährleistet.
Anspruchsvoller Start und klare Analyse
„Der Einstieg war anspruchsvoll: Die Zahlenlage war veraltet und unvollständig, das Reporting lückenhaft“, sagte Interimsvorsitzender Markus Bennemann, der im August seine Arbeit aufgenommen hat. Gemeinsam mit TMC wurde zunächst eine tragfähige Datengrundlage geschaffen.
Der Gesamtumsatz von Verband und Tochtergesellschaften lag 2024 bei rund 256 Millionen Euro – ein Plus von 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig stiegen die Personalkosten um rund 14 Prozent, verursacht durch Tarifsteigerungen und Inflationsausgleichsprämien. Auch die Sach- und Fremdleistungen verteuerten sich um sechs Prozent.
Das Ergebnis: ein Jahresfehlbetrag von 33,5 Millionen Euro, davon 19,7 Millionen Euro durch einmalige Abschreibungen auf Beteiligungen und Forderungen gegenüber der CBS. „Vor diesen Zahlen standen wir – und mussten schnell handeln“, so Bennemann.
Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung
Ziel ist es, alle Leistungsangebote auf Kostendeckung zu prüfen und neue, realistische Entgelte mit den Kostenträgern zu verhandeln. „Diese Gespräche laufen seit Mai – sie sind komplex, aber notwendig, um die steigenden Personal- und Sachkosten künftig abbilden zu können“, erläuterte Bennemann. Weitere Maßnahmen:
- Einstellungsstopp in der Zentrale – bereits Einsparungen im sechsstelligen Bereich
- Abbau von Leiharbeit – Leasingquote deutlich gesenkt
- Aufbau eines internen Kontroll- und Reportingsystems, das monatlich Kennzahlen und Fortschritte dokumentiert
- Investitionen in Personalgewinnung, die bereits erste Erfolge zeigen
„Die Umsetzung der Maßnahmen braucht Zeit“, so Bennemann. „Mit dem Bistumsdarlehen haben wir eine gesicherte Fortführungsperspektive bis Ende 2026. Erste positive wirtschaftliche Effekte erwarten wir ab 2026 mit einem geplanten Überschuss von rund zwei Millionen Euro.“ Sein Fazit: „Die eingeleiteten Schritte führen zu einem sanierten Unternehmen. So können wir unsere wichtigen Angebote für Menschen in schwierigen Lebenssituationen auch in Zukunft erbringen.“
Aßmann: „Mit Zuversicht in die Zukunft“
Caritasdirektorin Barbara Aßmann zeigte sich entschlossen und optimistisch. „Dank des Rückhalts des Bistums und der Unterstützung unserer Partner wird uns der Neuanfang gelingen. Wir richten alle Kraft auf die Zukunft.“ Der Verband führe intensive Gespräche mit Kommunen und Land, um eine tragfähige Refinanzierung der Angebote zu sichern. „Unsere Leistungen werden gebraucht – in der Altenhilfe, der Jugendhilfe, der Wohnungslosenhilfe oder in der Sozialberatung. Wir bleiben verlässlicher Partner für Menschen in Not“, betonte Aßmann.
Besonderen Dank richtete sie an die 3.500 Mitarbeitenden des Caritasverbandes: „Unsere Mitarbeitenden sind das Herz der Caritas. Sie leisten Tag für Tag Großartiges und erfüllen unseren Auftrag, Not zu sehen und zu handeln. Wir bleiben ein verlässlicher Arbeitgeber. Vor Ort wird es keine Kürzungen geben, in der Zentrale besetzen wir freiwerdende Stellen nicht nach, um Ressourcen zu schonen.“ Ziel sei es, gemeinsam mit den Beschäftigten, Partnern und Kostenträgern die vielfältigen Angebote der Caritas zukunftsfähig zu gestalten. „Wir haben einen anspruchsvollen Weg vor uns, aber wir sind guten Mutes, dass wir ihn erfolgreich gehen werden.“
Wieder: „Mehr Transparenz, mehr Kontrolle“
Theo Wieder, Vorsitzender des Caritasrates, bekräftigte, dass Aufsichtsrat und Vorstand in der Sanierungsphase eng zusammenarbeiten werden. „Wir stehen geschlossen hinter Frau Aßmann und Herrn Bennemann“, so Wieder. Er erklärte, dass der Caritasrat über die sich dramatisch schlecht entwickelnden Zahlen nicht informiert worden sei, obwohl sich dies schon im Sommer 2024 deutlich abzeichnete. „Die bis Ende 2024 vorgelegten Zahlen spiegelten die tatsächliche wirtschaftliche Lage nicht korrekt wider. Die externe Analyse durch TMC war notwendig und hilfreich.“
Der Caritasrat habe im laufenden Jahr so häufig getagt wie nie zuvor und seine Kontrollfunktion deutlich verstärkt. „Wir haben gelernt, dass es mehr Transparenz, Austausch und auch kritisches Nachfragen braucht. Nur im Miteinander von Vorstand, Aufsichtsrat und Gremien können wir diesen Weg erfolgreich gehen.“
Magin: „Ohne Caritas keine Kirche“
Generalvikar Markus Magin unterstrich die Haltung des Bistums: „Das Bistum Speyer steht klar und verlässlich zu seinem Caritasverband. Caritas ist eines der drei Wesensmerkmale der Kirche – ohne sie ist Kirche nicht denkbar.“ Das Bistum begleite die Sanierung eng und erhalte monatliche Berichte zur wirtschaftlichen Entwicklung. „Unterstützung ja – aber die Caritas muss ihre Hausaufgaben machen“, betonte Magin. Die Zusammenarbeit zwischen Bistum, Caritasrat und Vorstand sei von Transparenz und Vertrauen geprägt. „Ich erlebe ein hoch engagiertes Team, das sich mit großem Einsatz um die Menschen kümmert. Das macht mich zuversichtlich, dass die Caritas Speyer gestärkt aus dieser Phase hervorgehen wird.“
Der Caritasverband in Zahlen
Der Caritasverband für die Diözese Speyer ist Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege und Träger von rund 40 Einrichtungen und Diensten in der Pfalz und im Saarpfalzkreis.
- In 14 Caritas-Altenzentren pflegen wir 1.400 Menschen.
- In 10 Caritas-Förderzentren betreuen wir 2.400 Menschen.
- In 8 Caritas-Zentren beraten wir 18.800 KundInnen.
- In 3 Sozialkaufhäusern bringen wir jährlich 100 Menschen in Arbeit, 117.000 KundInnen kaufen dort ein.
- In 2 Caritas-Förderzentren der Wohnungslosenhilfe geben wir 600 Menschen ein Zuhause
- Uns unterstützen rund 620 Ehrenamtliche.
Wir beschäftigen 3.500 Mitarbeitende
Als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege
- vertreten wir 529 kirchlich-caritative Einrichtungen und Dienste.
- Wir beschäftigen 17.150 Mitarbeitende.
- Wir betreuen 229.200 Menschen.
Text: Melanie Müller von Klingspor