Dienstag, 18. November 2025
Aktionstag Sucht in Kaiserslautern

Vordere Reihe (jeweils von links): Silvia Föhlinger und Ulrike Ebert-Wenski, Suchtberatung Caritas-Zentrum Kaiserslautern, zweite Reihe: Sabine Hübner, Suchtberatung Caritas-Zentrum Kaiserslautern und Julia Mikula von der Jugend-Drogenberatung Release, hintere Reihe: Diakonie Berater Christoph Einig und Björn Schmitt, Jugend-Drogenberatung Release, Foto: Gereon Hoffmann für den Caritasverband
Der Arbeitskreis Sucht in Kaiserslautern, zu dem die Suchtberatung der Caritas gehört, lud zu einem Film mit anschließender Gesprächsrunde ein.
Kaiserslautern. Teilgenommen haben Hauptamtliche von Caritas und Diakonie und von der Jugend- und Drogenberatungsstelle Release in KL, Mitarbeitende des Pfalzklinikums, Berater*innen aus Betrieben und Angehörige von Suchtkranken und Betroffene. Denn die Suchtberatung ist in Gefahr, wenn die Beratung nicht mehr ausreichend finanziert wird. „Ich habe selbst erst sehr spät eine Suchtberatung in meinem Betrieb aufgesucht. Vorher hatte ich tausend Gründe vorgeschoben, das nicht zu tun“, sagte ein ehemaliger Suchtkranker, der sich inzwischen selbst in der betrieblichen Suchtprävention engagiert. „Deshalb möchte ich allen Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Sucht von Herzen danken. Ohne die Beratungsstellen und eure Arbeit hätte ich nicht die Kurve gekriegt“, sagt der Mann.
Der gemeinsam geschaute Film war „One for the Road“ aus dem Jahr 2023. Die Filmemacher Markus Goller und Oliver Ziegenbalg schildern äußerst realistisch, wie Mark, ein Bauleiter in verantwortungsvoller Position und Helena, eine überforderte Grundschullehrerin, ihre Alkoholsucht vor sich selbst und ihrer Umwelt verleugnen. Die Veranstaltung war im Haus der Diakonie am Aktionstag Suchtberatung, der jährlich am zweiten Donnerstag im November stattfindet. Initiator ist die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Ziel ist es, die Öffentlichkeit über Angebote zu Prävention und Hilfe zu informieren, auf Folgeprobleme und Kosten von Suchterkrankungen hinzuweisen und Bedeutung und Notwendigkeit einer koordinierten und ausreichend finanzierten Suchtprävention und -hilfe deutlich zu machen.
Caritas-Suchtberaterin Ulrike Ebert-Wenski moderierte zusammen mit Diakonie-Suchtberater Christoph Einig den Abend. Eingeladen waren auch die Ratsfraktionen aller demokratischen Parteien – die Resonanz war leider sehr übersichtlich. Dabei ist die Mitarbeit der Kommunen bei Suchthilfe- und prävention von entscheidender Bedeutung: Bei der Finanzierung von Suchtberatungsstellen übernehmen die Kommunen 25 Prozent der Fachpersonalkosten, sagte Ebert-Wenski. Dies sei allerdings vom Gesetzgeber als eine freiwillige Leistung eingestuft. Sind kommunale Haushalte defizitär, oder die Kommunen schon hoch verschuldet, sind die freiwilligen Leistungen als erste von Streichungen betroffen. Die Kommunalaufsicht kann das zur Bedingung für die Genehmigung von Haushalten machen. „Es wäre ein wichtiger Schritt, Suchtberatung als Pflichtaufgabe der Kommunen zu definieren, etwa im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Daseinsvorsorge“, meint Ebert-Wenski dazu.
Das Land beteiligt sich mit 32 Prozent an den Fachpersonalkosten der Beratungsstellen. Seitens der kirchlichen Träger werde, wegen sinkender Einnahmen, die Finanzierung zunehmend schwieriger, sagten übereinstimmend die beiden Berater von Diakonie und Caritas. Die DHS beklagt seit Jahren, dass Suchtberatung chronisch unterfinanziert sei. Problematisch sei, dass der politische Wille zur Suchtbekämpfung sehr gering sei, insbesondere was Präventionsarbeit und Gesetze bei der verbreitetsten Droge, dem Alkohol betrifft. Hier wirken starke Lobbyverbände einer Veränderung entgegen. Erst kürzlich habe es in Rheinland-Pfalz eine Kampagne gegeben, um dem sinkenden Weinkonsum entgegen zu wirken, erinnerte Einig. Stattdessen nehme die Politik die enormen gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgeschäden des Alkoholkonsums klaglos in Kauf. Laut DHS wurden 2023 rund 62.000 Menschen wegen akuter Alkoholvergiftung stationär behandelt. Die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland schätzt die DHS laut Suchtjahrbuch 2025 auf über 57 Milliarden Euro.
Klient*innen der Beratungsstellen in Kaiserslautern konnten auf einer Art Zielscheibe einschätzen, wie gut sie die Hilfsangebote finden. Und das Ergebnis ist sehr positiv, wie eine ausgestellte Tafel zeigte. Auch an diesem Abend bedankten sich Angehörige für das Informationsangebot. Denn auch Angehörige, Partner und enge Freunde leiden unter den Problemen Süchtiger. „Angehörige, die uns besuchen, sind oft schon am Anschlag. Die können nicht mehr so weiter machen“, sagt Suchtberaterin Ebert-Wenski. Zur Präventionsarbeit bei Jugendlichen berichtete Julia Mikula von der Drogenberatung Release, dass dies eine Entscheidung der Schulen sei. Und die finden oft, dass dafür keine Zeit sei und keine Unterrichtsstunden dafür ausfallen sollen. Auch hier sei Aufklärung bei den Verantwortlichen wichtig. Prävention müsse möglichst früh ansetzen.
Das Fazit des Abends: Alle Suchtberatungen sind kostenlos für Betroffene und Angehörige und das muss so bleiben, um die Menschen zu erreichen. Prävention durch Information ist wichtig und muss weiter ausgebaut und finanziert werden. Denn unterm Strich spart die Gesellschaft dadurch deutlich mehr, als die Behandlung und Folgen von Suchterkrankungen kosten.
Text und Foto: Gereon Hoffmann für den Caritasverband